BERLIN | Das 9-Euro-Ticket sei “gut gemeint, aber nicht durchdacht”. So und so ähnlich kommentiert die Presse das dreimonatige Billigticket.
Die Badische Zeitung schreibt: “Vom 1. Juni an werden Fahrten im Regionalverkehr der Busse und Bahnen drei Monate zum Schnäppchenpreis angeboten. Das klingt gut. Doch der Plan ist gut gemeint, aber nicht durchdacht. Das Schnäppchenangebot könnte zwar dem durch die Pandemie gebeutelten Nahverkehr neue Kundengruppen erschließen – aber dazu bräuchte es ein gutes, verlässliches Angebot. (…) Wo heute schon nichts fährt, nützt ein Billigticket nichts – das wissen die Menschen im ländlich geprägten Südbaden nur zu gut. Und überfüllte Busse und Bahnen auf attraktiven Strecken erschweren den Stammkunden die tägliche Fahrt. Im September steigt der Preis wieder abrupt. (…) An erster Stelle muss ein besseres Angebot stehen, erst an zweiter ein günstiger Preis.”
Die Allgemeine Zeitung Mainz kommentiert: “Die gute Nachricht lautet: Das 9-Euro-Ticket kommt, Bus- und Bahnfahrten werden endlich attraktiver. Aber leider nur für kurze Zeit. Denn die schlechte Nachricht lautet: Nach drei Monaten ist der preiswerte Spaß schon wieder vorbei. Der Gedanke hinter dem 9-Euro-Ticket ist natürlich kein schlechter. Es ist gut für die Umwelt, Bus und Bahn zu fahren, und der innerdeutsche Tourismus wird nach den schweren Corona-Jahren gefördert. Vor allem Menschen mit geringerem Einkommen können von dem Billig-Fahrschein profitieren und dass auch die bisherigen Zeitkartenbesitzer etwas zurückbekommen, ist ein weiteres Plus. Allerdings stellen sich zwei grundsätzliche Fragen: Was passiert nach den 90 Tagen? Und was bringt den Menschen, in deren Dorf sich nur zwei Busse pro Tag blicken lassen, eine günstige Fahrkarte? Offensichtlich nicht viel. Woran es zu einer richtigen ÖPNV-Offensive fehlt, sind langfristige und nachhaltige Lösungen. Klar bringt das 9-Euro-Ticket kurzfristig eine Entlastung für einige Menschen und wird womöglich sogar den einen oder anderen Autofahrer überzeugen. Der Plan, durch kurzzeitig günstige Tickets die Verkehrswende voranzutreiben, wird allerdings nicht aufgehen. Was der ÖPNV wirklich braucht, sind enge Taktungen, einen strategischen Ausbauplan und langfristige, lebensnahe Lösungen wie das 365-Euro-Ticket. Was der Nahverkehr mit dem 9-Euro-Ticket stattdessen gerade bekommt, ist nicht mehr als vorübergehender, der Not geschuldeter Aktionismus.”
Für die Mitteldeutsche Zeitung ist klar: “Es wird voll werden in Bussen und Bahnen, darüber sollte sich niemand Illusionen machen. Was aber passiert nach dem August, wenn das Neun-Euro-Ticket nicht mehr gilt? Darauf hat die Politik bisher nicht nur keine überzeugende Antwort gegeben, sondern leider gar keine. Die Forderungen von Verbänden und Unternehmen nach einer Fortsetzung sind bisher ins Leere gelaufen. Das ist fatal. Es wird nicht wenige Autofahrer geben, die sich, das Billigticket in der Tasche, von den Vorzügen des Nahverkehrs werden überzeugen lassen. Die dann aber im September, wenn die Monatskarte wieder 90 statt neun Euro kosten wird, sich doch lieber wieder hinters Lenkrad setzen werden.”