JERUSALEM | Richard Lutz hat am Donnerstag als erster Chef der Deutschen Bahn bei der zentralen Holocaust-Gedenkveranstaltung in Yad Vashem in Jerusalem einen Kranz niedergelegt.
Der rot-weiße Kranz trug den Namen des Freundeskreises von Yad Vashem in Deutschland, dessen Mitglied Lutz ist. Er legte ihn gemeinsam mit dem Vorsitzenden und ehemaligen Bild-Chefredakteur Kai Diekmann in der israelischen Gedenkstätte nieder. Israels Holocaust-Gedenktag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Zugfahrten in den Untergang: Die Deportation der Juden während des Holocaust“.
Die Deutsche Reichsbahn spielte bei der Vernichtung der europäischen Juden eine entscheidende Rolle. Rund drei Millionen Menschen in Europa wurden von 1941 an mit Zügen zu den NS-Vernichtungsstätten gebracht – die meisten davon Juden, aber auch Sinti und Roma. „Der Vieh- oder Eisenbahnwaggon, das wichtigste Deportationsmittel, wurde damit eines der bekanntesten Symbole des Holocaust“, so Yad Vashem.
Bahnchef Lutz sagte der Deutschen Presse-Agentur nach der Kranzniederlegung: „Unsere Vorgängerorganisation war durch Deportationen wesentlich an der Ermordung von europäischen Juden, Sinti und Roma beteiligt. Millionen von Menschen wurden mit Zügen ins Verderben gebracht.“
Es gilt als gesichert, dass die systematische Ermordung von Millionen von Menschen ohne die Reichsbahn nicht möglich gewesen wäre. Die „Sonderzüge in den Tod“ waren für sie ein gewinnbringendes Geschäft. Oft mussten die Fahrtkosten von den Juden selbst bezahlt werden.
Im Januar vergangenen Jahres hatten sich die Fraktionen von Linke, Grüne und FDP im Bundestag hinter Forderungen zu Entschädigungszahlungen für die Bahn-Transporte von Holocaust-Opfern gestellt. Die heutige Deutsche Bahn ist allerdings nicht Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn.
Die Deutsche Bahn habe aber eine besondere Verantwortung, sagte Lutz. „Wir spüren es hier und in unserem Alltag mehr denn je, wie wichtig es ist, sich mit aller Kraft gegen Antisemitismus, gegen Hass und Gewalt zu stemmen.“ Die Deutsche Bahn setze sich „für eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Reichsbahn in der Nazi-Zeit ein“.
Bei der Grundsteinlegung für einen Erweiterungsbau in Yad Vashem hatte Lutz bereits 2019 gesagt: „Wir haben als Deutsche Bahn natürlich nicht unmittelbar, sondern über die Deutsche Reichsbahn damals, einen ganz entscheidenden Anteil daran gehabt, wie das alles organisiert war. Das beschämt uns bis zum heutigen Tag.“