BERLIN | Bei einem möglichen Verkauf der Bahn-Logistiksparte DB Schenker sollte der Erlös in eine fondsgebundene Finanzierung der Schieneninfrastruktur überführt werden. Das fordern Verbände und Gewerkschaften der Eisenbahnbranche.
Ein Vorbild dafür sei die Schweiz, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Allrail, Mofair, Die Güterbahnen, Bundesverband SchienenNahverkehr (BSN), Pro Bahn, Verbraucherzentrale Bundesverband, Verkehrsclub Deutschland (VCD), Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) und Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL). Es wird mit einem Verkaufserlös von bis zu 20 Milliarden Euro gerechnet. Die Kompensation bereits vorgesehener Bundesmittel oder eine Teilentschuldung des DB-Konzerns lehnen die Verbände ab.
„Seit Jahren ist das Schienennetz unterfinanziert; dies hat zu einem enormen Investitionsstau geführt“, sagte BSN-Präsident Thomas Prechtl. Es habe sich leider gezeigt, dass eine Finanzierung, die von jährlichen Haushaltsentscheidungen abhängig sei, zu einem Verfall lebenswichtiger Infrastruktur führe. „Wir brauchen jetzt dringend einen langfristig ausgelegten Fonds zur nachhaltigen und auskömmlichen Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen und Kapazitätsausweitungen, um spürbare Verbesserungen bei der Zuverlässigkeit des Systems Schiene zu erzielen“, so Prechtl.
Mofair-Präsident Tobias Heinemann wies daraufhin, dass man noch nicht wisse, wie viel ein Schenker-Verkauf der bundeseigenen Deutsche Bahn AG einbringen würde. „Wir wissen aber sicher, dass eine Schuldentilgung allein nur den Reformdruck auf den Konzern reduziert. Viel wichtiger wäre es, die gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft, die zum Januar 2024 kommen soll, mit einer dauerhaften Finanzierungsquelle auszustatten, die sie unabhängiger macht vom Auf und Ab der jährlichen Haushaltsmittel“, sagte Heinemann.
„Die vor allem in Hartmut Mehdorns DB-Zeit zugunsten internationaler Zukäufe unterlassenen Modernisierungen – von der Fahrplan- und Betriebs-IT über digitale Stellwerke und Sicherungstechniken bis zu Überholgleisen mit europäischer 740-Meter-Normlänge – müssen jetzt nachgeholt werden“, forderte der Vorsitzende des Netzwerks Die Güterbahnen, Ludolf Kerkeling.
Ein Weiter-So dürfe es nicht geben, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. Denn die immer größer werdenden Probleme bei der Infrastruktur seien das Ergebnis der bisherigen Bahnstrategie. „Die Zusammenführung und Neuausrichtung der Infrastrukturgesellschaft ist der zwingend erforderliche Reformschritt für eine erfolgreiche Revitalisierung der Schieneninfrastruktur.“
Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband machte deutlich, dass eine miserable Pünktlichkeitsquote, Zugausfälle und Qualitätsmängel nicht weiter das tägliche Kundenerlebnis beim Bahnfahren prägen dürften. „Deshalb braucht es massive Investitionen. Die Erlöse eines Schenker-Verkaufs können helfen, die Jahrhundertaufgabe zu stemmen, die Bahn fit zu machen“, führte sie aus.
Bislang sei der Vorstand des Staatskonzerns gegen einen Verkauf, „obwohl sich die beim Kauf behaupteten Synergien zwischen der Logistik auf der Straße (Schenker) und dem Gütertransport auf der Schiene (DB Cargo) nie einstellten“, schreiben die Verbände.
Der Verkauf biete die Chance, „die unterlassene Modernisierung der Schieneninfrastruktur wenigstens teilweise neben den regulären Budgets des Bundes nachzuarbeiten“, heißt es weiter. „Mittelfristig könnte der bereits seit längerem von Bahnverbänden vorgeschlagene Infrastrukturfonds auch weitere Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel die bis 2030 laufende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für Ersatzinvestitionen im bestehenden Netz.“
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn wird den Schenker-Verkauf vermutlich noch in diesem Jahr billigen. Zuvor hatte eine Arbeitsgruppe von Bund und Bahn bereits den Grundsatzbeschluss gefasst. Befürworter für einen Verkauf gibt es in der Ampelkoalition vor allem bei den Grünen und der FDP. DB Schenker bietet Transporte für Industrie und Handel zu Land, zu Wasser und in der Luft an. 74.200 Beschäftigte arbeiten weltweit an 2.100 Standorten.