Fahrgäste in Hessen sind oft genervt von unpünktlichen Zügen. Die Verkehrsverbünde sehen die Gründe vor allem im Personalmangel. Der Fahrgastverband kritisiert den ÖPNV auch wegen anderer Probleme.
Verspätungen und Ausfälle: Wer regelmäßig mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, kennt die Probleme. Doch inklusive der S-Bahnen fahren die Regionalzüge insgesamt deutlich pünktlicher als der Fernverkehr. Der Nordhessische Verkehrsverbund NVV hat seine Pünktlichkeitsquote sogar verbessert.
Seinen Angaben zufolge hatten 89,5 Prozent der Züge eine Verspätung von weniger als 6 Minuten – fuhren also nach den Kriterien der Deutschen Bahn pünktlich. Die Zahlen basieren auf den Daten Januar bis September 2024. Im Gesamtjahr 2023 waren es 88,9 Prozent gewesen.
Im Rhein-Main-Gebiet habe es 2024 wenig Veränderung bei der Pünktlichkeitsquote gegeben. Dort lag man “im gleichen Rahmen wie bereits im Vorjahr”, hieß es. Zahlen nannte der Verbund nicht. Die abschließenden Daten lägen noch nicht vor.
Viele S-Bahnen unpünktlich
Ein Blick auf den Dezember ergab allerdings folgendes Bild bei den S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet: Die Pünktlichkeit der S-Bahnen betrug nur knapp 81 Prozent, wie der RMV auf Anfrage mitteilte. Das heißt, damit war fast jede fünfte Bahn mit Verspätung unterwegs.
Der Wert für die Zuverlässigkeit – er gibt an, ob eine Fahrt erfolgt – lag den Angaben zufolge bei gut 90 Prozent. Demnach fiel jede zehnte S-Bahn aus. Für Regionalzüge wurde ein Wert aus der letzten Novemberwoche ausgegeben, hier betrug die Zuverlässigkeit über alle Linien hinweg gut 95 Prozent.
Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn hat die Zuverlässigkeit des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Hessen stark abgenommen. Die Gründe dafür seien vielfältig, sagte Philipp Loth von Pro Bahn. Er nannte etwa unterbesetzte Stellwerke als ein Hauptproblem für Zugausfälle.
Verspätungen oft nicht steuerbar
2024 gab es laut RMV deutlich mehr Ausfälle oder Verspätungen aufgrund von meist kurzfristigen Stellwerksunterbesetzungen durch Personalausfälle. “Auch die zahlreichen Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen sorgten 2024 wieder für Verspätungen und Ausfälle”, sagte Florian Dubbel, Sprecher des RMV.
Die meisten Gründe für Unpünktlichkeit und Ausfälle könnten nicht beeinflusst werden, heißt es vom NVV. Sie würden durch äußere Einflüsse oder Dritte ausgelöst werden. Darunter seien Störungen durch Witterung, Schäden an der Stromversorgung, Fremdunfälle und Personalmangel.
Einige Probleme für die Unternehmen
Der bleibt für die Unternehmen ein brennendes Problem. Krankheitsfälle, generelle Unterbesetzung seien an der Tagesordnung. Beim RMV will man zukünftig mit der Ausweitung von flexiblen Bedarfsangeboten und dem Test von autonomen Fahrzeugen personalunabhängiger werden. “Unser Ziel ist es, einen ÖPNV der Zukunft anzubieten, der durch autonome On-Demand-Angebote abgerundet wird”, sagte Dubbel.
Beim NVV schaut man auch auf zeitliche Puffer, sodass weniger Verspätungen entstehen. Die Lage der Züge sei allerdings weitestgehend durch die bestehende Infrastruktur und die Zugfolge festgelegt. Mit dem Einsatz neuer, stärkerer Fahrzeuge wolle man aber die Betriebsqualität erhöhen.
So sollen ab Dezember 2026 zwischen Kassel und Frankfurt neue Bahnen verkehren. Bei den Fahrzeugen der RegioTram wurde zudem die zulässige Höchstgeschwindigkeit im vergangenen Jahr von 90 Kilometern pro Stunde auf 100 heraufgesetzt – “auch dadurch entstehen zusätzliche, allerdings geringe Fahrzeitpuffer”, hieß es.
Entscheidend sei aber auch, dass baustellenbedingte Fahrpläne bundesweit besser aufeinander abgestimmt und der Umleitungsverkehr in die bestehenden Abläufe eingepasst würden.
Kritik an Information der Fahrgäste
Pro Bahn kritisierte nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch die Kommunikation von Verkehrsunternehmen mit ihren Fahrgästen im Problemfall. “Das ist stark verbesserungswürdig”, sagte Loth. Trotz zahlreicher Apps und Auskunftsmöglichkeiten würden viele Verspätungen oder Ausfälle nicht eingepflegt werden – und Fahrgäste zu spät oder gar nicht über Änderungen beim Fahrplan informiert. Auch Anzeigen an Haltestellen seien oftmals nicht aktuell.
Aber auch für den Fahrgastverband stellt der Personalmangel das drängendste Problem dar. Bis September sollen etwa die Stellwerke in Frankfurt und Hanau in den Abendstunden unterbesetzt bleiben – zahlreiche Ausfälle sind die Folge. “Es braucht eine Ausbildungsoffensive, insbesondere im Bereich der Stellwerke”, sagte Philipp Loth von Pro Bahn. Diese müssten wieder zuverlässig besetzt werden können – egal wo und egal wann.
Zudem fordert der Verband einen Bahngipfel mit Vertretern der Landespolitik, Vereinen und Bahnunternehmen. “Aktuell haben wir das Gefühl, dass aus der Politik nicht genug Druck ausgeübt wird, sondern mehr oder weniger abgewartet wird und die Probleme dadurch akzeptiert werden”, sagte Loth.
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dpa