Nach der Vorstellung der neuen Bahnstrategie durch Verkehrsminister Schnieder gibt es Reaktionen aus der Branche. Die Euphorie fällt zurückhaltend aus. Auch beim Fahrgastverband in Hessen blieb der Jubel zunächst aus.
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Die deutsche Bahnbranche hält die Ambitionen von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) zur Reform der Deutschen Bahn für “etwas zu lasch”. Wenn man sich die Eckpunkte anschaue und durchlese, dann sei 2027 “das magische Jahr für den Schienenverkehr”, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am Montag in Berlin. “Dort soll alles scharfgeschaltet werden, von der Trassenpreisreform, über den Infra-Plan.” Die Strategie müsse vorher stehen. Jetzt sei es nur ein Fundament.
“Die Ambitionen, die die Regierung sich hier selber setzt, sind etwas zu lasch. Also von der DB AG fordert man sehr konkret und sehr ambitioniert viele Dinge. Die eigenen Dinge sind teilweise ohne Zieljahr”, so Flege weiter. “Wir möchten gerne, dass in diesem Jahr die Bahnstrategie so vervollständigt wird, dass wir als Bahnverbände von einer Strategie reden können, und das muss ganz wesentlich in der Taskforce, aber auch in weiteren Gesprächen passieren.” Länger als bis Anfang 2027 dürfe das nicht dauern.
Mit Blick auf den am Vormittag von Schnieder genannten Zielwert für die Pünktlichkeit im Fernverkehr von 70 Prozent im Jahr 2029, sagte Flege, dass dieser “erstmal sehr ernüchternd” klinge. Aber er sei angesichts der Vielzahl der Baustellen wohl realistisch. “Hätten wir dieses intensive Baugeschehen aufgrund der jahrzehntelangen Vernachlässigung der Infrastruktur nicht, wäre es ein völlig ambitionsloses Ziel und auch deutlich zu wenig.” Aber man müsse “bauen, bauen, bauen”. Und das sei “schwer zu vereinbaren mit einem flächenweit hohen Pünktlichkeitswert”.
Kein Jubel bei Fahrgastverband in Hessen
Die angekündigte neue Bahn-Strategie stößt auch beim Verband Pro Bahn in Hessen auf Skepsis: “Vom Grundsatz her hört sich das erst mal gut an. Die Frage ist aber, was davon umgesetzt wird”, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands, Klaus Zecher. Weiter sagte er, angesichts zahlreicher Verspätungen, Zugausfälle und Streckensperrungen müsse auch in Hessen dringend mehr Geld in die Sanierung des maroden Schienennetzes investiert werden. Schnieders Festhalten am Konzept der Generalsanierung sieht Pro Bahn kritisch. Demnach sollen bundesweit bis 2036 mehr als 40 besonders wichtige Strecken grundlegend modernisiert werden – mit entsprechend langen Streckensperrungen, so wie etwa bereits bei der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim geschehen.
“Mit einer laufenden Instandhaltung wie in Österreich und der Schweiz funktioniert das besser”, sagte Zecher. Bei einem Haus werde auch nicht viele Jahre abgewartet, bis irgendwann ins Dach eindringendes Regenwasser bis in den Keller laufe. Der hessische Pro-Bahn-Vize forderte überdies eine Bildungsoffensive bei der Bahn. Sie müsse wieder mehr auf Erstausbildungen für Schulabgänger statt auf Umschulungen setzen. “Bei Umschülern ist die Fluktuation wesentlich größer”, sagte Zecher. Zudem müsse die Bahn für Fahrdienst und Instandhaltung auch mehr in ländlichen Regionen ausbilden, etwa in Mittelhessen.
Zur Ankündigung von Bundesverkehrsminister Schnieder, im Rahmen der Bahn-Strategie mit einem “Sofortprogramm” mehr Sicherheit und Sauberkeit bei Bahnhöfen anzustreben, betonte Zecher, wichtig wäre, dass die Bahn hier wieder mehr eigenes Personal anstelle von Subunternehmen einsetzte.
Hinsichtlich der angestrebten Verbesserung der Fahrgast-App DB Navigator für eine bessere Kundenkommunikation verwies Zecher wieder auf die Personalnot der Bahn. Für die raschere Mitteilung von Verspätungen beispielsweise wären mehr Mitarbeiter nötig, die diese in die App einspeisen könnten – doch etwa in Stellwerken fielen viele Schichten mit noch vordringlicherer Arbeit aus.


EVN / dts Nachrichtenagentur / dpa