Fahrerlos durch die Stadt: Autonomes Fahren im ÖPNV


Fahrermangel und schlechtes Angebot auf dem Land: Autonom fahrende Busse könnten diese Probleme lösen und den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren. Welche Rolle spielt der neue Bus von VW?

In China und Teilen der USA gehören sie längst zum Straßenbild: fahrerlose Kleinbusse und Robotaxen, die vollautonom durch die Straßen kreuzen. In Deutschland gibt es zwar mehr als ein Dutzend Pilotprojekte, die vor allem den Betrieb im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erproben. Doch von einem großflächigen Einsatz mit echten Fahrgästen kann bisher keine Rede sein. Das soll sich nach dem Willen von VW bald ändern.

In Hamburg hat der Hersteller am Dienstagabend die Serienversion seines selbstfahrenden Elektro-Bullis ID Buzz gezeigt, der ab 2026 regulär in Betrieb gehen soll. Zunächst in Hamburg und Los Angeles, später auch in anderen Städten. Mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurde bereits eine entsprechende Absichtserklärung geschlossen.

Sprung in die Zukunft

“Damit positioniert sich der Volkswagen-Konzern in der Spitzengruppe eines milliardenschweren globalen Wachstumsmarkts”, sagte Konzernchef Oliver Blume bei der Weltpremiere in Hamburg. “Ab 2026 machen wir nachhaltige, autonome Mobilität in großem Maßstab in Europa und den USA verfügbar.”

Die aktuelle Bundesregierung will Deutschland “zum Leitmarkt für autonomes Fahren” entwickeln, heißt es im Koalitionsvertrag. Insbesondere die Verkehrsunternehmen im ÖPNV treiben das Thema voran. Im nordrhein-westfälischen Monheim am Rhein sind dank einer Ausnahmegenehmigung schon seit 2020 selbstfahrende Kleinbusse im Regelbetrieb im Einsatz. Andere Projekte wie Alike in Hamburg, bei dem auch VW mitmacht, Ahoi im Hamburger Umland oder Kira in Darmstadt erproben derzeit den Einsatz autonomer Kleinbusse im Nahverkehr.

Noch keine Zulassung für vollautonome Fahrsysteme

Doch eine Typ-Genehmigung für sogenannte Level-4-Systeme, also für komplett autonom fahrende Fahrzeuge ohne Fahrerin und Fahrer, gibt es hierzulande bisher nicht – auch wenn das rechtlich möglich wäre.

Stattdessen gibt es aus Sicht von Ricco Kämpfer, Experte für autonomes Fahren beim Beratungsunternehmen P3, einen Flickenteppich an Modellprojekten. “Wir haben in den letzten Jahren unglaublich viele Projekte gesehen, die vom Bund gefördert wurden”, sagt er. “Diese waren aber nie auf Nachhaltigkeit und Verstetigung ausgelegt.” Wenn die Träger-Gemeinschaften, die sogenannten Konsortien, nicht weitergeführt wurden, war auch für die Projekte Schluss.

Der Bund sei nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen. “Jeder kriegt ein bisschen was.” Doch um die Ziele zu erreichen, brauche es eine zentrale Steuerung der Leuchtturmprojekte, meint Kämpfer.

Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) will weg von den bisherigen kleinen, dezentralen Ansätzen und fordert bundesweit einheitliche Projekte. Das sei nötig, “um auch der Industrie zu signalisieren, wir wollen ernsthaft skalieren und nicht nur irgendwelche lokalen Dinge tun”, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann in Hamburg.

Künftig werde es nicht mehr die Vielfalt an Fahrzeugen mit Fahrerinnen und Fahrern geben, sagte Wortmann. Es müsse vielmehr mit ganz wenigen Varianten gearbeitet werden. Wichtig sei auch: “Wir brauchen nicht noch mehr Testversuche oder Testlabore, sondern wir müssen jetzt in den Regelbetrieb kommen.”

Für den Betrieb autonom fahrender Busse ohne Fahrer sei eine Milliarde Euro als Anschubfinanzierung nötig “und im weiteren Verlauf zwei Milliarden Euro, mit denen wir dann den realen Linien- und Linienbedarfsbetrieb steuern”.

Weiteres Problem: Die Finanzierung

Auch Experte Kämpfer sieht die Notwendigkeit, für die ÖPNV-Unternehmen finanzielle Anreize zu schaffen, damit sie in großem Maßstab bestellen können. Dann könnten auch die Hersteller aufspringen, betont er. Derzeit sei es ein Henne-Ei-Problem.

Dieses Problem will VW nun angehen. Denn der ID Buzz AD (für autonomous driving) soll in Hannover regulär in Serie gehen und dann zusammen mit den anderen ID-Buzz-Modellen vom Band rollen. Das Fahrzeug verfügt über 13 Kameras, neun sogenannte Lidare und fünf Radare, mit denen es die Umgebung in Echtzeit erfasst.

Deutlich über 10.000 Stück will VW von der nun präsentierten ersten Generation des ID Buzz AD ausliefern. Die ersten 1.000 sollen bereits bis Ende 2027 auf die Straße kommen, sagte Christian Senger, der im Vorstand von VW Nutzfahrzeuge für das autonome Fahren zuständig ist. Allein der Fahrdienst Uber wolle innerhalb von zehn Jahren bis zu 10.000 Fahrzeuge abnehmen. Die ersten 480 sollen bereits im kommenden Jahr geliefert werden und dann in Los Angeles zum Einsatz kommen.

Autonom unterwegs – mit Einschränkungen

Nach VW-Angaben ist es das erste voll autonom fahrende Serienfahrzeug aus europäischer Produktion. Aber mit Einschränkungen: Der Einsatz ist auf das jeweilige Fahrgebiet begrenzt, das in Hamburg nicht einmal bis zur Stadtgrenze reicht. Wer nach Lüneburg, Buxtehude oder Pinneberg will, hat keine Chance. Und ein Kontrollzentrum muss im Hintergrund jederzeit eingreifen können.

Bis Ende 2026 will VW in Europa und den USA die Zulassung für den fahrerlosen Betrieb erhalten. Danach könne auf den bisher noch vorgeschriebenen Sicherheitsfahrer verzichtet werden. In Europa wäre es nach Angaben des Konzerns das erste Mal, dass eine solche Zulassung zum autonomen Fahren nach Level 4 erteilt würde.

Einen Verkauf des Modells an Endkunden schließt VW daher aus. Als Abnehmer kommen vor allem große Flottenbetreiber wie Verkehrsbetriebe in Betracht. In Hamburg kooperiert VW daher mit dem Verkehrsverbund HVV, in den USA mit Uber.

Experte Kämpfer sieht indes bei dem Modell einige Probleme für den Einsatz im ÖPNV. Neben der geringen Passagierkapazität kritisiert er auch die mangelnde Barrierefreiheit. «Vor allem Letzteres ist für On-Demand-Verkehre und ÖPNV im Speziellen natürlich ein Must-have», sagt er. Zudem gebe es ein zunehmendes Interesse an der Automatisierung des Linienverkehrs, also an autonom fahrenden großen Linienbussen mit Dutzenden Sitzplätzen. Hierfür seien kleine Fahrzeuge wie der ID Buzz nicht geeignet.

VW ist einer der letzten großen Hersteller bei dem Thema

Volkswagen ist einer der letzten großen Autobauer, der an selbstfahrenden Shuttle-Fahrzeugen arbeitet, zusammen mit der israelischen Intel-Tochter Mobileye. Bei den meisten derzeit in Pilotprojekten genutzten Fahrzeugen handelt es sich dagegen um Eigenanfertigungen kleiner Start-ups oder um umgebaute Serienautos, wie sie etwa Robotaxi-Pionier Waymo in den USA einsetzt.

Ford hatte sich schon Ende 2022 aus einer Kooperation mit Volkswagen verabschiedet. General Motors zog Ende 2024 bei seiner Tochter Cruise den Stecker, nachdem es in San Francisco zu einem schweren Unfall gekommen war. VW verweist dagegen darauf, dass es bei seinen seit 2023 laufenden Testfahrten in Hamburg bisher keine Unfälle gegeben habe, ebenso wenig in München, wo Prototypen bereits seit 2021 getestet werden.

Fahrgäste durften bisher aber nicht zusteigen. Als Testpassagiere dienen in Hamburg nur eigene Mitarbeiter. Das soll sich nun ändern: Noch in diesem Jahr will Moia früheren Angaben zufolge auch ausgewählte Probenutzer mitnehmen. 25 Testwagen sollen den Betrieb dann unter realen Bedingungen testen. Der Start des Regelbetriebs war ursprünglich bis Ende 2026 angekündigt. Jetzt soll es erst 2027 losgehen.


dpa / EVN