Eisenbahngewerkschaft hält an 50-Stunden-Warnstreik fest


BERLIN | Am späten Donnerstagabend wurde noch mal gerungen, doch die Deutsche Bahn konnte den angekündigten Warnstreik auf der Schiene nicht verhindern. Ein Ultimatum bis Freitag, 12.00 Uhr, ließ sie nun ohne weiteres Angebot verstreichen.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hält an ihrem geplanten 50-Stunden-Warnstreik auf der Schiene ab Sonntagabend fest. Das teilte die Gewerkschaft am Freitag mit. Damit sind die Beschäftigten weiterhin aufgerufen, von Sonntagabend, 22.00 Uhr, bis Dienstagabend, 24.00 Uhr, die Arbeit niederzulegen und so den Bahnbetrieb lahmzulegen. Die DB hatte bereits am Donnerstag angekündigt, dass im Streikfall für diesen Zeitraum der komplette Fernverkehr eingestellt werde, auch die Regionalzüge werden voraussichtlich fast alle ausfallen.

„Wir waren zu Kompromissen bereit, um den angekündigten Warnstreik auszusetzen und in die Verhandlungen einzutreten. Die DB AG setzt stattdessen lieber auf Spaltung und nimmt dafür die Fahrgäste in Geiselhaft“, teilte die EVG zu ihrer Entscheidung mit. Die Bahn hielt dagegen, dass sie „bis zur letzten Minute alles versucht“ habe, den Streik noch abzuwenden. „Wir sind nochmal auf die EVG zugegangen und haben bekräftigt, dass es am Thema Mindestlohn nicht scheitern wird. Wir wollen eine Lösung“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.

EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch sprach in der Nacht zu Freitag von „Scheinangeboten“ des Arbeitgebers. Zentraler Diskussionspunkt ist derzeit der gesetzliche Mindestlohn, den etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der DB lediglich über Zulagen erhalten.

Zum Warnstreik aufgerufen sind alle Berufsgruppen bei der Bahn – also auch die Mitarbeiter in den Stellwerken, die den gesamten Bahnverkehr auf dem deutschen Schienennetz koordinieren. Dadurch hat der Warnstreik sehr große Auswirkungen – er wird absehbar auch Bahn-Unternehmen treffen, die am Tarifkonflikt gar nicht beteiligt sind. Auch der Güterverkehr dürfte weitgehend zum Erliegen kommen.

Aus Sicht der Deutschen Bahn (DB) gibt es keinen Grund mehr für den Warnstreik. „In intensiven Gesprächen bis zum späten Donnerstagabend“ habe man der EVG zugesagt, ihrer vor Monaten erhobene Forderung nach einer Abbildung des gesetzlichen Mindestlohns nachzukommen, teilte der Konzern gegen Mitternacht mit. „Wir haben die Forderung zum Mindestlohn erfüllt, jetzt steht die EVG im Wort“, hob DB-Personalvorstand Martin Seiler hervor.

Die EVG will den gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro zunächst in die Tariftabellen aufnehmen, damit alle weiteren Verhandlungsergebnisse dann auf diesen Wert berechnet werden. Die Bahn hat das inzwischen zugesagt, will aber erst später in den Verhandlungen klären, ob sämtliche Tarifergebnisse dann bei diesen Beschäftigten ebenfalls als Erhöhungen in die Tabellen kommen oder etwa über Zulagen gezahlt werden. Die Bahn argumentiert, dass sie sonst etwa bei Sicherheits- oder Reinigungspersonal weit mehr als die branchenüblichen Löhne zahle.

Insgesamt verhandelt die EVG für 180 000 Beschäftigte bei der DB. Parallel laufen Gespräche mit rund 50 weiteren Bahn-Unternehmen über neue Tarifverträge, dabei geht es um noch mal 50 000 Beschäftigte. Direkt bestreikt werden fast alle dieser Unternehmen, nur in wenigen Fällen sieht die Gewerkschaft Fortschritte in den Verhandlungen.

Die Güter-Konkurrenten forderten die Deutsche Bahn auf, einen Notbetrieb zu organisieren. „Die nicht im Tarifkonflikt stehenden Unternehmen dürfen weder vorsätzlich noch fahrlässig indirekt geschädigt werden“, heißt es in einem Schreiben des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen an die Bahn-Infrastruktursparte DB Netz.

Grundsätzlich sei angesichts eines zweitägigen Warnstreiks auf der Schiene aber nicht zu erwarten, dass die deutsche Wirtschaft in die Knie gezwungen werde, heißt es vom Güterbahn-Verband. Zwar gebe es Industriezweige, die zeitkritisch kalkulierten wie die Auto- oder die Mineralölindustrie. Doch auch dort dauere der Warnstreik für ernsthafte Auswirkungen nicht lang genug.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hält es für unnötig, dass die Bahn den Fernverkehr für 50 Stunden einstellt. „Die EVG ist bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert, dass die Deutsche Bahn gezwungen wäre, den Schienenverkehr einzustellen“, sagte Weselsky dem Nachrichtenportal The Pioneer. Ein Bahn-Sprecher bezeichnete die Vorwürfe Weselskys als „absurd“. „Die EVG hat einfach einen viel größeren Hebel, wenn Stellwerke bestreikt werden“, sagte der Sprecher.

Die kleinere GDL rivalisiert im Bahn-Konzern mit der EVG um Mitglieder und Einfluss. Weselsky sagte: „Ich bin mir sicher, dass es keinen Abschluss geben wird, bevor wir unsere Forderungen aufgestellt haben.“ Die GDL verhandelt neue Tarifverträge für die bei ihr organisierten Lokomotivführer und das Zugpersonal ab Spätsommer. Am 5. Juni will die GDL ihre Forderungen offiziell verkünden.


dpa / EVN