HANNOVER | So günstig wie im Sommer wird der Nahverkehr absehbar nicht mehr werden. Doch einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket soll es geben. Niedersachsens Verkehrsminister sieht den Bund mit in der Pflicht. Im Landtag zeichnen sich vor der Wahl derweil neue Bündnisse ab.
In der Debatte um einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket dringt Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann auf mehr Geld vom Bund. Er sei bereit, ein bundesweites 49-Euro-Ticket für Bus und Bahn zu unterstützen, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Landtag. Das gehe aber nur, wenn der Bund die Regionalisierungsmittel für den Verkehr erhöhe. Das sei nötig, um das bisherige Nahverkehrsangebot aufrechtzuerhalten und die Existenz der Verkehrsunternehmen zu sichern.
Schon heute habe das Land ein Defizit bei der Finanzierung des Nahverkehrs, sagte Althusmann. Wenn die Finanzierungslücken so groß würden, dass Verbindungen gestrichen werden müssten, dann nützten auch rabattierte Tickets nichts. Ein Nachfolgeticket allein aus Landesmitteln zu bezahlen, sei “nahezu unmöglich”.
Der Verkehrsminister verwies auf gestiegene Energie- und Personalkosten der Anbieter. Außerdem seien die Ticketeinnahmen während der Corona-Pandemie zurückgegangen. Das 9-Euro-Ticket habe im Nahverkehr die Belastungsgrenzen aufgezeigt. Dennoch sei das Ticket mit bundesweit rund 52 Millionen Verkäufen ein Erfolg gewesen.
Die Ampel-Koalition im Bund hatte sich darauf verständigt, jährlich 1,5 Milliarden Euro für ein bundesweites Ticket bereitzustellen – wenn die Länder ebenso viel dazugeben. Ziel ist ein Preis zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hofft auf eine Einführung eines neuen Tickets zum 1. Januar 2023.
Ministerpräsident Stephan Weil warb in der Landtagssitzung angesichts der Energiekrise erneut für ein Aussetzen der Schuldenbremse. “Wenn wir jetzt nicht auf eine Notlage zulaufen, wann denn dann?”, fragte der SPD-Politiker. Die Schuldenbremse kann in Notsituationen ausgesetzt werden, was 2020 und 2021 schon wegen der Corona-Pandemie geschehen ist.
Deutschland stehe jetzt am Anfang einer harten Bewährungsprobe, sagte Weil, sowohl für Privathaushalte als auch für die Wirtschaft und die soziale Infrastruktur wie den öffentlichen Nahverkehr: “All das steht vor richtig schwierigen Zeiten.”
In der Diskussion zeichneten sich vor der Landtagswahl am 9. Oktober auch mögliche neue Bündnisse ab. So erklärte Weil mit Blick auf seinen Vorschlag eines 970-Millionen-Euro-Programms zur Entlastung, dass er bei Grünen und FDP dafür Gesprächsbereitschaft sehe, beim bisherigen Koalitionspartner CDU hingegen nicht. Weil will das Hilfsprogramm des Landes im Falle seiner Wiederwahl mit einem Nachtragshaushalt im November auf den Weg bringen.
Enthalten soll es neben Wirtschaftshilfen und Härtefallfonds für besonders belastete Verbraucher etwa auch Heizkostenzuschüsse für Schulen und Kitas. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Weil: “Es darf bei aller Energieknappheit auf keinen Fall dazu kommen, dass wir im Winter Schulen und Hochschulen schließen.” Kinder und Jugendliche, aber auch Studierende hätten schon in der Pandemie einen besonders hohen Tribut zollen müssen.
Grüne und FDP kritisierten indes, dass Weil bisher kein Gespräch mit den anderen Fraktionen gesucht habe, um einen Nachtragshaushalt nach der Wahl schnell umsetzen zu können. “Warum verweigern Sie sogar aktiv Gesprächsangebote von FDP und Grünen?”, fragte die Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg. “Lassen Sie uns schnell gemeinsame Lösungen finden.” Der FDP-Abgeordnete Christian Grascha betonte, das Land müsse jetzt handeln und nicht erst in Monaten.
Die CDU appellierte an die Bundesregierung, für Entlastung zu sorgen, und erneuerte ihr Werben für einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Ein Nachsteuern des Bundes zur Senkung der Energiepreise forderte auch Energieminister Olaf Lies (SPD) mit Blick auf die Gasumlage. “Die Gasumlage muss abgeschafft werden”, sagte Lies.