Ukrainischer Bahnchef: Brauchen mehr Verbindungen nach Europa


BERLIN | Millionen Ukrainer sind geflüchtet, ukrainisches Getreide wird in vielen Ländern gebraucht. Der Chef der Staatsbahn erklärt, warum er die Schienenwege ausbauen will – und warum Tempo der Weg zum Sieg sei.

Die Ukraine will mehr Bahnverkehr mit ihren Nachbarländern im Westen. „Wir haben unsere Entscheidung getroffen: Wir gehen nach Europa“, sagte der Chef der Staatsbahn Olexander Kamyshin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Letztendlich brauchen wir dafür eine echte Integration in die europäische Infrastruktur.“ Notwendig seien neue Schienenstrecken in die Nachbarländer und mehr Frachtkapazität über europäische Häfen.

Millionen Ukrainer seien vor dem Krieg geflüchtet, sagte Kamyshin. „Die Menschen werden mobil bleiben wollen zwischen den Ländern.“ Während des Kriegs und darüber hinaus werde eine hohe Nachfrage bleiben. In den vergangenen Monaten habe man deshalb Verbindungen nach Moldawien, Rumänien und Polen ausgebaut. „Wir haben trotz des Krieges 50 Kilometer neue Gleise gebaut. Und wir bauen mehr, bis Jahresende wird es doppelt so viel sein.“

Notwendig sei es auch, die Güterkorridore über die europäischen Häfen zu verstärken. Die ukrainische Bahn exportiere 1,5 bis 2 Millionen Getreide im Monat. „Wir könnten 5 bis 7 Millionen Tonnen im Monat schaffen“, sagte Kamyshin. Es müssten aber die europäischen Güterkorridore und Seehäfen entwickelt werden, um wieder mehr ukrainisches Getreide in den Mittleren Osten, nach Nordafrika und China zu bringen.

Kamyshin rief europäische Eisenbahnen zu gemeinsamen Geschäften auf. „Wir sind unter Beschuss, wir brauchen Waffen, finanzielle Hilfe und den ganzen Rest. Aber letztendlich sind wir eine unternehmerische Nation.“ Die Ukraine habe Millionen Tonnen Fracht, die nach Europa gehen könnten. Europäischen Bahnen erwarteten zusätzliche Einnahmen. „Das ist der beste Weg, wie Europa uns helfen kann: Kaufen von uns und Geschäfte machen mit uns.“

Die Staatsbahn Ukrzaliznytsia gilt als Rückgrat für den Verkehr in dem vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Land. Strecken und Bahnhöfe sind immer wieder Ziele von Angriffen. Das Unternehmen hat laut Kamyshin 244 Mitarbeiter verloren. Beschädigte und zerstörte Streckenabschnitte würden so schnell wie möglich repariert, damit Ortschaften wieder versorgt werden können, erklärte der Bahnchef. „Tempo ist unser Pfad zum Sieg.“

Der Vorstandschef ist nach eigenen Angaben oft selbst nahe der Front oder in zurückeroberten Gebieten unterwegs und begleitet dort auch Minenräumungen und Reparaturarbeiten. „Es wäre schwer für mich, Mitarbeiter dorthin zu schicken, wo ich nicht selbst hingehen würde.“ Auf seiner ersten Auslandsreise seit Kriegsbeginn besucht Kamyshin an diesem Dienstag und Mittwoch die Bahntechnikmesse Innotrans in Berlin.


EVN / dpa | Foto: Twitter / @AKamyshin

Anzeige