Die Bahn kommt – oder nicht? Der Netzausbau im Nordosten stockt


MEYENBURG / WITTENBERGE | Nicht zuletzt im Zeichen der Klimadebatte versprechen Bund und Länder bessere und häufigere Bahnverbindungen. Doch in der Prignitz kommen zwei Projekte nur langsam voran.

Von der Prignitz mit der Bahn an die Mecklenburgische Seenplatte, ein Sonntagsausflug mit dem Zug in Richtung Müritz? Das funktioniert derzeit nicht, auch wenn die Bahnstrecke noch existiert. Spätestens in Meyenburg (Prignitz), kurz vor der Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern, ist die Zugfahrt beendet. Wer weiterfahren will zum Bahnknoten Karow oder nach Plau am See, muss derzeit auf den Bus umsteigen – und auch der fährt nur während der Sommermonate.

Schon seit längerer Zeit gibt es Initiativen, diesen Zustand zu ändern und die Bahnstrecke von Meyenburg nach Karow wieder zu beleben. Zuletzt haben die beiden Landräte Torsten Uhe (Landkreis Prignitz, parteilos) und Ralf Reinhardt (Ostprignitz-Ruppin, SPD) in einem Brief an die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die Reaktivierung der Strecke gefordert.

Die Antwort aus Schwerin, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, war allerdings aus Sicht beider Landkreise enttäuschend. Dort bezweifelt man, „ob eine ausreichende Nachfrage für einen täglichen Betrieb der „Südbahn“ generiert werden … kann“.

Erst 2024 sollen die Fahrgastzahlen ausgewertet werden. Dann werde über mögliche Ausweitungen der bisherigen Wochenendverkehre nach 2027 entschieden – sofern dafür finanzielle Mittel vorhanden seien. Ein Zusammenschluss der beiden Teilnetze „Prignitz“ und „Südbahn“ wäre dann laut dem Schreiben frühestens ab Dezember 2028 möglich.

Auch das Brandenburger Infrastrukturministerium hält sich mit Aussagen zur Umsetzbarkeit des Projektes zurück. Wie das Ministerium auf Anfrage mitteilt, gebe es derzeit Gespräche auf Fachebene der Landesverwaltungen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, „um ein harmonisiertes Angebot im länderübergreifenden ÖPNV der Region“ zu ermöglichen. Ob und in welchem Umfang die Strecke von Meyenburg nach Plau am See bedient werde, dafür sei die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern (VMV) zuständig.

Auch in einer Potenzialanalyse, die erst im Januar im Auftrag des Ministeriums vorgestellt wurde, taucht die Strecke von Meyenburg nach Karow nicht auf. Länderübergreifende Strecken seien nicht Bestandteil gewesen, heißt es dazu aus dem Ministerium. Man strebe jedoch an, gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern den Bedarf für öffentliche Personenverkehre auf den regionalen Achsen neu zu ermitteln.

Ob also aus der Prignitz wieder Züge an die Mecklenburgische Seenplatte rollen, bleibt offen. Auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ zeigt sich skeptisch. „Ich persönlich bin der Überzeugung, dass ein Pendelverkehr zwischen Pritzwalk und Karow nur schwer genügend Nachfrage finden wird“, sagt Hans Leister, Vorstandsmitglied von „Pro Bahn“ Berlin-Brandenburg. Er ist zugleich Co-Vorsitzender der Koordinierungsgruppe Deutschlandtakt des Bundesverkehrsministeriums.

Ganz anders sieht das Clemens Russell. Er leitet die „Bürgerinitiative Pro Schiene Hagenow-Neustrelitz“, die sich unter anderem für den Ausbau des Karower Kreuzes als Bahnknoten einsetzt. Auch er räumt ein, dass die geforderte Zielmarke von 30 Prozent Auslastung derzeit nicht erreicht werde. Das liege nicht nur an der Corona-Pandemie. Es brauche auf der Strecke ein verlässliches dauerhaftes Angebot, statt nur Saisonverkehr, sagte er.

„Eine Wiederbelebung des Karower Kreuzes wäre enorm wichtig für den länderübergreifenden Verkehr abseits der Hauptmagistralen“, sagte der Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke. Die vom Bund jüngst aufgestockten Regionalisierungsmittel seien sowohl in Brandenburg als auch in Mecklenburg-Vorpommern ausreichend vorhanden.

Der Linken-Politiker kritisiert auch den zu langsamen Ausbau des Bahnnetzes. Im Zuge der Umsetzung des „Deutschlandtaktes“ sollen Fernzüge häufiger in Wittenberge (Prignitz) halten. Der Bahnhof, abgesehen von einem Nachtzug am Potsdamer Hauptbahnhof einziger ICE-Halt in Brandenburg, liegt an der Hauptstrecke Berlin–Hamburg. Eigentlich sollten die Umbauarbeiten für den Knoten Wittenberge in den Jahren 2026 und 2027 erfolgen, hieß es in früheren Stellungnahmen.

Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, konnte ihm den bisherigen Zeitplan nicht mehr bestätigen, gibt Görke an. „Der Knoten Wittenberge wird Teil der zweiten Etappe der Umsetzung des Deutschlandtakts für die zweite Hälfte der 2020er Jahre“, heißt es in der Antwort auf seine Anfrage vom März. Die Deutsche Bahn bestätigte, dass dieser Zeitrahmen weiter aktuell sei.

Für den Wittenberger Bürgermeister Oliver Hermann sind diese Zusicherungen nicht konkret genug. Schließlich soll der Bahnhof in der Prignitz zum „Nullknoten“ werden, jede volle Stunde soll hier ein ICE nach Berlin oder Hamburg abfahren. „Für die Stadt Wittenberge ist die Qualität der Zuganbindung einer der wichtigsten Standortfaktoren“, sagt er.


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