Der Fahrgastverband Aktion Münchner Fahrgäste und die Polizei veranstalten seit mittlerweile sechs Jahren Kurse, in denen Münchner Fahrgästen das richtige Verhalten in schwierigen und teilweise auch gefährlichen Situationen gelehrt wird. Helfen statt wegsehen ist dabei die Devise.
Wie überall im öffentlichen Raum, kann es auch in öffentlichen Verkehrsmitteln – ob im Bus, in der U- oder S-Bahn, oder auch in einem Regional- oder Fernverkehrszug – zu körperlichen Angriffen kommen. Wenn Emotionen überhand nehmen oder Alkohol und Drogen im Spiel sind, setzt bei manch einem schnell der Verstand aus und es kann zu tätlichen Angriffen kommen. Auch die Polizei stellt leider immer wieder fest, dass das Gewaltpotenzial in den letzten Jahren zugenommen hat. Doch wie reagiert man richtig, wenn andere Fahrgäste plötzlich in Gefahr geraten – oder man selbst zum Opfer wird?
Die Aktion Münchener Fahrgäste veranstaltet seit mittlerweile sechs Jahren gemeinsam mit dem Münchner Polizeipräsidium und der Bundespolizeiinspektion München Kurse für interessierte Fahrgäste, in denen die richtigen Verhaltensweisen, Zivilcourage und der eigene Selbstschutz trainiert werden. Wichtigste Regel hierbei: Jeder sollte helfen! Aber ohne sich dabei selbst in Gefahr zu begeben.
Schirmherr der Veranstaltung ist Christian Ude, der ehemalige Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt München.
Anlass für den Start dieser Trainingskurse war der Tod des Managers Dominik Brunner am 19. September 2009. Der damals 50-Jährige hatte sich in der Münchner S-Bahn schützend vor vier Schüler gestellt, als diese von zwei jugendlichen Tätern bedroht wurden. Durch seinen mutigen Einsatz wurde Brunner jedoch selbst zum Opfer. „Es kann nicht sein, dass jemand in der S-Bahn umkommt“, sagte Andreas Nagel vom Fahrgastverband Aktion Münchener Fahrgäste zu Beginn des Zivilcouragekurses am 15. Februar im Verkehrszentrum des Deutschen Museums. Damit sich ein derartiger Fall möglichst nie wiederholt, dafür engagieren sich sowohl der Fahrgastverband, wie auch die Polizei mit ihrer aktiven Präventionsarbeit.
Auch wenn nicht jeder den Mut besitzt, direkt einzugreifen, so sollte zumindest Hilfe geholt werden. Die Polizei warnt sogar davor, zuviel zu riskieren. Wichtig sei es, Aufmerksamkeit zu erzeugen und den Täter möglicherweise dadurch zu verunsichern und von seiner Handlung abzubringen. Auch eine Flucht des Täters ist immer besser als eine weitere Konfrontation.
Wie Hartmut Brach, Trainer und Polizeibeamter der Bundespolizei, erklärte, solle den Teilnehmern hier aber nicht beigebracht werden, wie man „am besten haut, beißt, schlägt oder tritt“, sondern viel mehr, wie man gefährliche Situationen von vornherein vermeidet. „Ein Selbstverteidigungskurs ist diese Veranstaltung nicht“, so der erfahrene Polizeibeamte.
Sechs wichtige Tipps der Polizei:
- Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.
- Ich fordere Andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.
- Ich beobachte genau, präge mir Tätermerkmale ein.
- Ich organisiere Hilfe unter Notruf 110.
- Ich kümmere mich um Opfer.
- Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.
Einfach nur wegschauen hilft niemandem und schaff nur mehr Freiheiten für Täter. Denn letztendlich kann jeder von uns zum Opfer werden. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob man männlich, weiblich, jung oder alt ist. Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.
Wie kann ich konkret Hilfe organisieren?
- Aufmerksamkeit erzeugen (durch schreien, pfeiffen mit einer Trillerpfeiffe oder ähnliches)
- Andere Fahrgäste direkt zur Hilfe auffordern (durch direkte Ansprache: z.B. “Sie da, mit dem roten Pullover! …”)
- Zugpersonal oder Sicherheitspersonal informieren (z.B. Lokführer über Sprecheinrichtung im Zug oder Sicherheits-/Rettungskräfte über Notrufsäule am Bahnsteig)
- Notruf per Handy absetzen
Realistische Rollenspiele
Das richtige Handeln und Reagieren auf eine plötzliche Gefahrensituation lässt sich hervorragend in Rollenspielen simulieren. In einem Museumszug der Münchner S-Bahn aus den 1970er Jahren wurde dies umgesetzt. Als Täter fungierte hier ein weiterer Beamter der Bundespolizei. Hartmut Brach stand den Kursteilnehmern im Anschluss des jeweiligen Szenarios beratend zur Seite.
Durch das vierstündige Training, in dem versucht wurde, möglichst realistische Szenarien darzustellen und Tipps für den Umgang mit derartigen Situationen zu geben, lernten die Teilnehmer vor allem, dass es nicht nötig ist den Helden zu spielen. Die Beamten der Bundespolizei zeigten zudem, wie man Gefahrensituationen vermeiden kann und wie man mit Rettungs- und Hilfeeinrichtungen im öffentlichen Raum umgeht.
Wie Andreas Nagel in seiner Ansprache zu Beginn der Veranstaltung verriet, sei es besser, lieber einmal zuviel die Polizei zur Hilfe zu holen, als gar nichts zu unternehmen – und das Opfer möglicherweise komplett seinem Schicksal zu überlassen.
Notruf- und Hilfeeinrichtungen nutzen
Ob am Bahnsteig oder in den Zügen: Notruf- und Hilfeeinrichtungen sind vielerorts vorhanden – und sollten auch benutzt werden, wenn die Situation dies erfordert!
Notbremseinrichtung
Eine Notbremseinrichtung im Zug sollte aber tatsächlich nur betätigt werden, wenn Leib und Leben eines Menschen bedroht sind oder eine unmittelbare Gefahr für den Zug und deren Fahrgäste besteht.
Wie Brach erklärte, solle man sich jedoch nicht wundern, wenn der Zug beim Ziehen der Notbremse nicht sofort stoppt. Beim Einsatz einer Notbremsüberbrückung (NBÜ) wird gewährleistet, dass der Zug nicht an einem ungünstigen Ort oder in einem schwer zugänglichen Tunnel zum stehen kommt, sondern der Lokführer über ein Warnsignal im Führerraum informiert wird, und dann an einer geeigneten Stelle den Zug zum Stehen bringt.
Sicherheitsraum unter dem Bahnsteig
Gerät eine Person in den Gleisbereich und gelangt nicht ohne fremde Hilfe wieder hinaus, sollte – wenn vorhanden – der Fluchtraum unter der Bahnsteigkante als Rettungsmöglichkeit genutzt werden. Wird beobachtet, dass sich eine Person im Gleisbereich aufhält, sollte in jedem Fall Hilfe geholt und ein Notruf abgesetzt werden, so dass der Zugverkehr eingestellt werden kann.
Bessere Aufklärung durch Kamerasysteme
Neben einer Erhöhung der Sicherheit, sorgen Kamerasysteme an Bahnhöfen oder auch in Zügen dafür, dass Straftaten schneller und einfacher aufgeklärt werden können.
Feuerwehr lehrt Umgang mit Defibrillator
Zum Ende des Kurses wurde den Teilnehmern noch durch die Berufsfeuerwehr München, der Umgang mit einem Defibrillator erklärt. “Jeden Tag erleiden fünf Menschen in München eine Herzrhythmusstörung”, so der Feuerwehrmann.
Da bei einer Soforthilfe eine Überlebenschance von über 90 Prozent besteht, sei die erste Hilfe vor Ort durch andere Fahrgäste sehr entscheidend. Das Gerät führt den Helfer durch seine Maßnahme, bis eintreffende Rettungskräfte die ärztliche Versorgung übernehmen. In den Bahnhöfen der Münchner U-Bahn sind daher auch in den Notrufsäulen Defibrillatoren vorhanden.
Notruf- und Servicenummern:
- Polizei 110
- Rettungsdienst 112
- Servicenummer Bundespolizei 0800 6 888 000
Weitere Infos erhalten Sie auch unter ? www.bundespolizei.de.
Haben Sie selbst Interesse an einem der nächsten Trainingskurse teilzunehmen? Weitere Informationen sowie Termine finden Sie auf ? www.fahrgaeste.de/training.