OSNABRÜCK | Der Tourismusverband Niedersachsen rechnet wegen des preiswerten 9-Euro-Tickets mit einem Schub für den Tagestourismus im Sommer. Um eine Anreise mit dem Nahverkehr dauerhaft attraktiv zu machen, sieht der Vorsitzende neben dem Preis aber noch weiteren Handlungsbedarf.
Der neue Vorsitzende des Tourismusverbandes Niedersachsen (TVN), Holger Heymann, erwartet durch das 9-Euro-Ticket eine Stärkung des Tagestourismus für den Sommer zwischen Küste und Harz. “Bei schönem Wetter kann ich mir gut vorstellen, dass der Binnenlandtourismus massiv forciert wird”, sagte Heymann der Deutschen Presse-Agentur. Dagegen sei es aus seiner Sicht eher unwahrscheinlich, dass Urlauber mit Bussen und Bahnen spontan längere Aufenthalte in diesem Sommer etwa an der Nordsee und auf den Inseln ansteuern könnten – denn die meisten Ferienunterkünfte gerade an der Küste seien zur Hochsaison meist schon ein Jahr im Voraus gebucht.
Heymann, der auch Landrat des Landkreises Wittmund ist, sieht in der Ausgestaltung des Angebots auch ein Dilemma. “Das 9-Euro-Ticket ist sicherlich ein guter Anreiz dafür, dass Menschen, die sonst nicht den ÖPNV und SPNV nutzen, mehr darauf zurückgreifen.” Bereits jetzt sei an dem Buchungsverhalten abzuleiten, dass die Nachfrage nach dem ab Juni geltenden Angebot “extrem hoch” sei. Gleichzeitig liege darin aber auch ein Problem. “Wenn man so eine hohe Nachfrage erzeugt, haben wir natürlich überfüllte Busse und Bahnen, was gerade die Menschen, die diese Verkehrsmittel ohnehin nutzen, abschrecken könnte.” Auch neue Gäste könnten wegen fehlender Kapazitäten dann womöglich fern bleiben.
“Vor diesem Hintergrund hätte ich mir gewünscht, dass die Bundesregierung den Mut hat, dies dauerhaft durchzuziehen oder nach drei Monaten dieser Probephase zu der Erkenntnis kommt, das hat sich gelohnt, das ist die Zukunft der Mobilität”, sagte der SPD-Politiker.
Der TVN-Vorsitzende betonte zudem, dass es neben dem attraktiven Preisangebot mit dem 9-Euro-Ticket bei der Tourismusmobilität auch auf das Angebot und die Taktung der Reisemöglichkeiten ankomme. Im ländlichen Raum fehle oft ein ausgebauter Nahverkehr. “Wenn wir ein geniales Busangebot vor Ort bieten könnten, wäre auch die Chance groß, dass die Spontanreisenden mit diesen Verkehrsmitteln anreisen.” Auch Urlauber mit längeren Aufenthalten könnten ihre Unterkünfte dann eher nach den Anreisemöglichkeiten mit dem ÖPNV-Anbindung auswählen. Heymann sieht beim Ausbau des klimafreundlichen Nahverkehrs neben den Kommunen auch die Bundesregierung in der Pflicht.
Im Tourismusverband Niedersachsen sind zehn regionale Tourismusverbände und drei Branchenverbände zusammengeschlossen. Holger Heymann ist seit Mitte Mai neuer Vorsitzender des tourismuspolitischen Lobbyverbandes. Er folgte auf den Friesländer Landrat Sven Ambrosy (SPD), der das Amt nach 18 Jahren abgab.