Historische Zugfahrt: Mit dem Schienenbus durch Mannheims Industriehafen

Samstagmorgen 10 Uhr am Mannheimer Hauptbahnhof: Es regnet in Strömen – noch. Eigentlich ein Wetter zum Liegenbleiben. Nicht so allerdings für Eisenbahnfreunde und Technikinteressierte. Denn die Historische Eisenbahn Mannheim e.V. hatte zur Rundfahrt durch Mannheims Industriehafen geladen und zwar standesgemäß in einem Schienenbus aus den 1950/60er Jahren.


Das Wetter schien dem Start des Ausfluges nicht besonders wohlgesonnen. Wolken über Wolken und Regen in Strömen, so begann Sie die Tour in einer historischen mehr als 50 Jahre alten Schienenbusgarnitur. Rund 130 Eisenbahnfreunde und Technikinteressierte ließen sich jedoch vom schlechten Wetter zu Anfang nicht abschrecken und nahmen an der mehrstündigen Rundfahrt durch den Mannheimer Industriehafen teil.

Mit knapp 30 Minuten Verzögerung startete die Tour von Gleis 8 des Mannheimer Hauptbahnhofs. Reiseleiter Peter Weinsheimer kommentierte die Verspätung der Abfahrt, die natürlich auch aufgrund des fahrplanmäßigen Regelverkehrs entstanden war, scherzhaft mit den Worten „Wir haben extra Verspätung für Sie eingebaut, damit die Spannung etwas steigt“. Für die Nutzung des öffentlichen Schienennetzes der DB Netz AG musste natürlich im Vorfeld ein Fahrplan bestellt werden, der dem Veranstalter als Fahrplananordnung (Fplo) für den Sonderzug (Sdz) mit der Zugnummer 5390 zugestellt worden war. Die Fahrzeiten und der Streckenverlauf der Fahrplantrasse wurden vom Infrastrukturbetreiber der Deutschen Bahn vorgegeben. Mit Verweis auf den gedruckten Ersatzfahrplan, der die einzelnen Betriebsstellen, die Standorte der wichtigsten Signale und die zugelassenen Geschwindigkeiten enthält, hatte der Triebfahrzeugführer die notwendigen Informationen um die Strecke zu befahren.

Wartende Fahrgäste am Gleis 8
Schienenbus trifft im Mannheimer Hauptbahnhofs ein
Sonderzug steht zur Abfahrt bereit

Kurz nach der Abfahrt passierte der Sonderzug schon die ersten historischen Orte der Industriegeschichte Mannheims. So befand sich auf dem heutigen Hochschul-Campus bis 2010 das Traditionsunternehmen VÖGELE, das dort über 100 Jahre lang Weichen und Drehscheiben für die Eisenbahn herstellte. Kurz hinter dem kleinen Bahnhof Mannheim-Käfertal folgte dann der Übergang von der Zugfahrt in eine Rangierfahrt. Denn ab hier ging es auf dem Schienennetz des Hafengeländes weiter.

Mit maximal 25 km/h schlich sich der Schienenbus langsam durch das Industriegelände, wobei Bahnübergänge für kreuzende Straßenverkehrsteilnehmer einzeln gesichert und ortsgestellte Weichen manuell durch den Zugführer umgelegt werden mussten. Es ging also Stop-and-Go an den Hafenanlagen der Universitätsstadt vorbei. Technikunternehmen wie ABB und BOMBARDIER sind hier ansässig.

Rundfahrt durch die Industriegeschichte
Zwischenhalt am Industriehafen
Das teilweise regnerische Wetter trübte die Stimmung nicht

Der erste planmäßige Stopp mit Ausstieg erfolgte etwa nach einer Stunde. Ziel war die Besichtigung der Diffenébrücke. Sie ist ein historisches Hebebauwerk, das den Schiffsverkehr bei gehobener Straßen- und Eisenbahnfahrbahn passieren lassen kann. Gesteuert wird der Hebevorgang vom Fahrdienstleiter am Bahnhof Mannheim-Käfertal. Anschließend folgten weitere Reisehalte durch die Industrie- und Handelsgeschichte der Stadt, bis die Hafentour gegen 14:15 Uhr auf der Friesenheimer Insel endete und die Weiterfahrt zum Vereinsgelände in Mannheim-Friedrichsfeld anstand. Die Abfahrt verzögerte sich jedoch, da die eingleisige Strecke noch durch einen ankommenden Müllzug blockiert wurde, der Abfälle aus den Städten Bruchsal und Karlsruhe hier zur Mannheimer Müllverbrennungsanlage der ABG Abfallbeseitigungsgesellschaft lieferte.

Auf der Weiterfahrt passierte der Sonderzug dann auch den Rangierbahnhof Mannheim. Ab hier wurde die Reise als Sperrfahrt mit schriftlichem Befehl fortgesetzt, um die Ausweichanschlussstelle am Unterwerk, auf dem die Historische Eisenbahn Mannheims beheimatet ist, zu erreichen.

Im Anschluss an die Hafenrundfahrt hatten die Teilnehmer auf dem Vereinsgelände noch die Möglichkeit sich unterschiedlichste historische Eisenbahnfahrzeuge genauer anzusehen. Darunter befanden sich zum Beispiel eine Ellok der Baureihe 144 (E 44), Dieselloks der Baureihen 217 und 218, Rangierloks der Baureihen 360 und 364, eine Köf II der Baureihe 323 sowie alte Reisezug- und Güterwagen, wie auch ein alter Postwagen der ehemaligen Deutschen Bundespost.

Mit der Rückfahrt zum Mannheimer Hauptbahnhof, der wieder gegen 17:40 Uhr erreicht wurde, endete der Ausflug durch eine spannende und historische Zeit der Eisenbahn- und Industriegeschichte.

Diesellok der Baureihe 218 auf dem Vereinsgelände der Historischen Eisenbahn Mannheim e.V.
Fahrschalter auf dem Führerpult einer BR 218
Die Fahrzeugsammlung umfasst viele Loks und Wagen der Eisenbahngeschichte

Schienenbusgarnitur

Die für den Ausflug genutzte Schienenbusgarnitur wurde von der Pfalzbahn Eisenbahnbetriebsgesellschaft mbH bereitgestellt. Es handelte sich dabei um einen „Uerdinger Schienenbus“, einem zweiachsigen dieselbetriebenen Verbrennungstriebwagen (VT) der Baureihe 798 sowie den dazugehörigen Bei- und Steuerwagen. Er hat eine Fahrzeuglänge von je 13,950 Metern und bietet Platz für bis zu 58 Personen pro Wagen. Um den Führertisch – der baulich nicht vom Fahrgastraum abgetrennt ist – gegen unbefugte Nutzung durch Fahrgäste zu schützen, kann dieser mit einem hölzernen Rollo verschlossen werden. Der Handgriff des Führerbremsventils sowie der Gangwahlschalter sind zudem vom Fahrpult abnehmbar. Das Fahrzeug verfügt über Unterflurmotoren mit einem Sechs-Gang-Getriebe sowie über eine indirekte Druckluftbremse (mit Scheibenbremsen) und einer zusätzlichen Magnetschienenbremse. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 90 km/h. Gebaut wurde dieser Fahrzeugtyp in den Jahren 1955 bis 1962 von der Waggonfabrik Uerdingen.

Schienenbus der Baureihe 798
Führerpult des Schienenbusses

Der Zug, der für die Hafenrundfahrt eingesetzt wurde, hatte eine Gesamtlänge von rund 42 Metern und bestand aus insgesamt drei Fahrzeugen: einem angetriebenen Motorwagen, einem Beiwagen und einem Steuerwagen. Damit der mehr als 50 Jahre alte Reisezug überhaupt das Schienennetz der Deutschen Bahn befahren darf, wird er regelmäßig in Stand gehalten und ist zudem mit einer Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) im Betriebsprogramm PZB 90 ausgestattet gewesen.

Haben Sie Interesse an einer Fahrt durch Mannheims Industriehafen? Termine und weitere Informationen zur Buchung erhalten Sie auf der Internetseite der Historischen Eisenbahn Mannheim e.V. unter ? www.historische-eisenbahn-ma.de.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .