Wie können in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen und auch gehörlose Fahrgäste bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln besser unterstützt werden? Dieser Frage stellte sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und entwickelte ein Konzept für eine mobile Reiseassistenz, das das Reisen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zukünftig einfacher macht – und zwar für alle.
Oftmals sind die Umsteigezeiten für Rollstuhlfahrer oder Sehbehinderte Menschen im ÖPNV zu kurz bemessen und die vorhandenen Informationssysteme nur unzureichend nutzbar. Bis 2022 schreibt das Personenbeförderungsgesetz in Deutschland nun eine “vollständige Barrierefreihei” beim ÖPNV vor. In dem internationalen Forschungsprojekt aim4it entwickelten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik deshalb gemeinsam mit den Projektpartnern eine Lösung für dieses Problem, die für alle Fahrgäste hilfreich sein soll: ein leicht übertragbares Konzept einer Mobilitätsassistenz, um die bestehenden Barrieren des ÖPNV für alle Fahrgäste abzubauen. Herausgekommen ist dabei unter anderem die interaktive aim4it-App. Die Projektergebnisse werden am 26. April im Verkehrsmuseum in Wien vorgestellt.
Perfekt zugeschnittene Informationen
Gehörlose oder blinde Reisende, Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer können sich die App auf ihrem Smartphone installieren und ihr entsprechendes Anwenderprofil hinterlegen. Daraufhin erhalten sie die für ihre Bedürfnisse perfekt zugeschnittenen barrierefreie Störungsmeldungen oder aktualisierte Routeninformationen. Blinde und Sehbehinderte Fahrgäste beispielsweise über den Text-to-Speech-Kanal und Hörbehinderte oder gehörlose Reisende in Gebärdensprache durch einen animierten Avatar, der für jede beliebige Sprache programmiert werden kann.
„Aim4it ist aber mehr als eine App”, so Prof. Karsten Lemmer, Leiter des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik. „Es ist vielmehr ein offenes, leicht übertragbares Konzept, das die Verkehrsunternehmen den Fahrgästen über ihre bereits bestehende Reise-Apps zur Verfügung stellen können.”
Mit Hilfe der aim4it-App kann der Reisende bereits bei der Planung angeben, ob er eine verlängerte Umsteigezeit benötigt und wann er möglicherweise Hilfe beim Ein- und Aussteigen braucht. Dem Bus- oder Straßenbahnfahrer wird daraufhin auf einem Display im Fahrzeug angezeigt, an welcher Haltestelle er einen längeren Aufenthalt einplanen muss, um auf die später zusteigenden Fahrgäste zu warten. Zudem sieht er so schon im Vorfeld, wann er die Rampe für Rollstuhlfahrer ausklappen muss.
Alternativrouten in Echtzeit
Das Fahrplanauskunftssystem der App erhält von dem jeweiligen Verkehrsunternehmen aktuelle Informationen über die benötigten Verkehrsmittel. Wenn eine Störung auf der geplanten Route eintritt, erhält der Fahrgast in Echtzeit eine Nachricht auf seinem Smartphone. Über die aim4it-App kann er eine Alternativroute anfordern, die seine speziellen Bedürfnisse berücksichtigt. Wenn etwa in einer Haltestelle der Fahrstuhl ausfällt, erhält ein Rollstuhlfahrer eine Meldung und z.B. den Vorschlag eine Station früher auszusteigen und dort den Aufzug zu benutzen.
Anfang 2016 wurde die App in Wien und Karlsruhe getestet. Die Erfahrungen der Probanden flossen in die Weiterentwicklung ein. Das Feedback interessiert die Wissenschaftler aber auch weiterhin: Direkt über die aim4it-App können die Fahrgäste ihre Erfahrungen zu den neuen Funktionen und die Unterstützung durch die Fahrer mitteilen. Der Verkehrsanbieter erhält so wichtige Hinweise, wie die Services weiter verbessert werden können. Der Test bei den Wiener Linien hat gezeigt, dass das technische Konzept funktioniert. Es kann auch auf andere Verkehrsunternehmen übertragen werden. Dann wäre aim4it auch allgemein öffentlich verfügbar.
Das Forschungsprojekt aim4it (Accessible and Inclusive Mobility for All with Individual Travel Assistance) wird im Rahmen des EU-Förderprogramms Future Travelling (ENT3) abgewickelt. aim4it wird gefördert durch: das deutsche Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und das National Centre for Research and Development aus Polen. Projektpartner sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Bergische Universität Wuppertal, FH Joanneum GmbH, Fluidtime Data Services GmbH, INIT AG, Matrixx IT Services GmbH, Mentz Datenverarbeitung GmbH, Mentz Datenverarbeitung Austria GmbH, Polytechnische Universität Poznan, SignTime GmbH, Wiener Linien GmbH & Co KG.
(red/DLR)