Menschliches Versagen war offenbar Ursache für Zugunglück im österreichischen Niklasdorf – vida fordert Neubewertung der Lokführertätigkeit

Am Montag (12. Februar 2018) waren ein Regionalzug der ÖBB und ein Eurocity der Deutschen Bahn im österreichischen Niklasdorf seitlich kollidiert (Bahnblogstelle berichtete). Laut Medienberichten gehen die Ermittler mit größter Wahrscheinlichkeit davon aus, dass menschliches Versagen die Ursache für das Unglück war.


© BFV Leoben

Nach Informationen von oe24 stehe offenbar fest, dass der Regionalzug R 1708 in Richtung Bruck/Mur zu früh losgefahren war, obwohl EC 216 entgegenkam. Kurz darauf ereignete sich der seitliche Zusammenstoß auf Höhe einer Weiche. Bei dem Zugunglück war eine Frau ums Leben gekommen, mehr als 20 Reisende wurden verletzt.

Anzahl der Signalverfehlungen steigt

Nach Ansicht der österreichischen Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida werden Lokführer zu sehr mit Zusatztätigkeiten überlastet und seien dadurch abgelenkt. Wie der vida-Vorsitzende Roman Hebenstreit sagte, dürfte sich eine internationale Tendenz im Eisenbahnbereich leider auch zunehmend in Österreich abbilden: Die Anzahl von Signalüberfahrungen steige europaweit an. „Grund dafür ist die permanente Überfrachtung von Lokführern mit Zusatzarbeiten“, so Hebenstreit in einem Statement nach dem Eisenbahnunglück in Niklasdorf. „Die Leistungskapazität jedes Menschen ist begrenzt. Vor allem in Arbeitsbereichen in denen es um die Sicherheit geht, in denen die gesamte Aufmerksamkeit keine Sekunde durch etwas anderes beeinträchtigt werden darf, dürfen Menschen nicht mit Zusatztätigkeiten überlastet werden“, betont der vida-Vorsitzende mit großer Sorge.

Laut Hebenstreit sollten sich Lokführer „eigentlich nur auf das Führen der Züge konzentrieren müssen. Dazu hageln aber Meldungen via Zugfunk, Anweisungen über Diensthandys und -tablets, sowie Notrufe aus dem Fahrgastraum und Meldungen der Fahrzeugtechnik zugleich auf Lokführer ein.“ Daher sei es nicht überraschend, dass die Anzahl der Signalüberfahrungen und ähnliche Unfallursachen ansteigen. Man könne einem Menschen nicht mehr zumuten als er zu leisten vermag, kritisiert der österreichische Gewerkschaftsfunktionär.

Hebenstreit betont: Man dürfe es sich nach derartigen Unfällen nicht zu einfach machen und von menschlichem Versagen der Eisenbahner – wie Lokführer, Zugbegleiter oder Fahrdienstleiter, die ihre Arbeit im ausführenden Betriebsdienst verrichten – sprechen. Eine Suche nach den Ursachen müsse laut vida-Chef bei den Aufsichtsbehörden und den Prozessverantwortlichen beginnen. Auch bei der Justiz sei ein Umdenken erforderlich. „Wir müssen weg davon, die ‚kleinsten Rädchen im System‘, also die Mitarbeiter im ausführenden Betriebsdienst, schnell abzuurteilen, ohne sich über die eigentlichen Hintergründe und Auslöser von Unfällen den Kopf zu zerbrechen“, so Hebenstreit.

vida fordert Neubewertung der Lokführertätigkeit

Gerhard Tauchner, der Vorsitzende der Lokführerplattform in der Gewerkschaft vida, fordert eine sofortige Neubewertung des Lokführerarbeitsplatzes und die Schaffung eines zeitgemäßen Berufsbildes. „Die physische und psychische Belastung wurde mit steigendem Kostendruck und zunehmender Digitalisierung immer höher. Nicht nur bei der Überfrachtung der Lokführer mit Zusatztätigkeiten wurde schon längst weit über das Ziel hinausgeschossen.“ Dass der Lokführerberuf noch dazu nicht zur Berufsliste der Schwerarbeit zähle und in der Folge bis 65 Jahre ausgeübt werden müsse, ist für Tauchner unerklärlich und könnte in den kommenden Jahren weitere dramatische Folgen nach sich ziehen.


red

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