BRÜSSEL | Bis 2030 soll rund ein Viertel aller Güter in Deutschland auf der Schiene transportiert werden. Weil sich das für die Bahnunternehmen nicht immer rechnet, will der Bund sie unterstützen – und hat dafür nun Zustimmung aus Brüssel erhalten.
Deutschland darf den Güterverkehr auf der Schiene mit rund 1,7 Milliarden Euro unterstützen. Die EU-Kommission genehmigte am Dienstag in Brüssel die Fördermaßnahme. Sie werde dazu beitragen, dass der Schienengüterverkehr wettbewerbsfähig bleibe, teilte die EU-Kommission am Dienstag mit. Konkret geht es bei der Förderung um den sogenannten Einzelwagenverkehr, der in Deutschland vor allem von der Deutschen Bahn betrieben wird. Dabei holt der Konzern einzelne Waggons oder Waggon-Gruppen direkt auf den Werkshöfen der Kunden ab. Auf Rangierbahnhöfen werden sie dann zu langen Zügen zusammengefasst, am Zielort wieder getrennt und die Container einzeln weiter transportiert.
Das ist aufwendig und wirtschaftlich derzeit nicht zu betreiben. Doch aus Sicht der Bundesregierung ist der Einzelwagenverkehr das “Rückgrat des Schienengüterverkehrs”, wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Dienstag mitteilte. “Er ermöglicht den Zugang zum europäischen Schienennetz in der Fläche und hat zentrale Grund- und Netzwerkfunktionen.” Der Bund will diese Verkehrsart deshalb allein in diesem Jahr mit rund 290 Millionen Euro unterstützen.
Ziel der Regierung ist es, bis 2030 rund ein Viertel des gesamten Güterverkehrs in Deutschland über die Schiene abzuwickeln. Mit der bis 2029 angesetzten Förderung für den Einzelwagenverkehr soll die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene weiter vorangetrieben werden. Über fünf Jahre will die Regierung den Angaben zufolge ein Budget von 1,7 Milliarden als direkte Zuschüsse bereitstellen, wobei das maximale Jahresbudget bei 320 Millionen Euro liegt.
Mit der Maßnahme könne Deutschland wichtige Segmente des Schienengüterverkehrs unterstützen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. “Sie wird Deutschland helfen, seine Ziele des Green Deal zu erreichen und gleichzeitig die Belastung durch steigende Kosten für die Verkehrsunternehmen zu verringern, was dem industriellen Güterverkehr zugutekommt.”
Mit dem “Green Deal” will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Die Strategie umfasst Maßnahmen in Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft. Wenn der Staat etwa Unternehmen mit Geld oder Steuervorteilen unterstützen will, gelten in der EU strenge Regeln. Das soll verhindern, dass der Wettbewerb verzerrt wird. Die EU-Kommission wacht unter anderem darüber, dass die Mitgliedsstaaten ihren Unternehmen durch staatliche Unterstützung keine unangemessenen Vorteile verschaffen.
Doch die Förderung des Einzelwagenverkehrs ist in der deutschen Bahnbranche umstritten. Dem Verband Die Güterbahnen zufolge, in dem die Konkurrenten der Deutschen Bahn organisiert sind, macht diese Verkehrsart knapp 15 Prozent des Marktes aus. 85 bis 90 Prozent des Einzelwagenverkehrs wird demnach von der wirtschaftlich angeschlagenen Bahn-Güterverkehrstochter DB Cargo durchgeführt. Sie ist damit der Hauptempfänger des Staatsgeldes. Die Wettbewerber sprechen sich deshalb auch für Förderungen aus, die der gesamten Branche zugutekommen, wie etwa ein staatlicher Zuschuss zu den zuletzt stark gestiegenen Nutzungsgebühren für die Schiene, den sogenannten Trassenpreisen.
Die Bundesregierung sieht indes die Förderung eigenen Angaben zufolge auch als Schlüssel, um den Wettbewerb im Einzelwagenverkehr zu öffnen und als einen Anreiz für andere Unternehmen, in das Geschäft einzusteigen.
“Das grüne Licht aus Brüssel, Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber der Straße zu mildern, ist ein gutes Signal”, teilte wiederum die Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta von den Grünen am Dienstag mit. “Die Subventionen dürfen jedoch nicht die Bemühungen erlahmen lassen, die DB-Cargo neu aufzustellen und sie zu einem agilen Güterverkehrsunternehmen zu machen.”
LESEN SIE AUCH
dpa / EVN