Über 270 Tote bei schwerem Zugunglück in Indien


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NEU DELHI | Bei einem der schwersten Zugunglücke der letzten Jahrzehnte sind in Indien über 270 Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Hundert Verletzte wurden behandelt.

Die Zahl der Toten wurde am Sonntag korrigiert. Statt 288 soll es 275 Todesopfer gegeben haben, wie die Behörden mitteilten. Drei Züge waren ersten Berichten zufolge an dem Unfall beteiligt, der sich in einer ländlichen Gegend im Bezirk Balasore, gut 200 Kilometer südwestlich von Kolkata, am Freitag gegen 19 Uhr Ortszeit ereignete.

Fernsehbilder am Tag danach lassen das Ausmaß erkennen, nachdem die Rettungsarbeiten zunächst in der Nacht stattfanden. Zugwaggons liegen kreuz und quer auf und neben den Schienen. Dutzende Helfer in Zivilkleidung und Rettungskräfte mit Schutzanzügen versuchten verzweifelt, Verletzte aus den tonnenschweren Trümmern zu retten.

Die Menschen vor Ort erzählen von grausamen Erlebnissen. „Überall Leichen, vielen fehlten Körperteile, Menschen, die in den Waggons feststeckten, schrien um Hilfe“, sagte ein Überlebender der Zeitung The Hindu. „Ich sah Menschen mit verstümmelten Körperteilen und entstellten Gesichtern. Das wird mich mein Leben lang verfolgen.“

Örtlichen Medienberichten zufolge soll ein Passagierzug zuerst entgleist sein, ein anderer Passagierzug sei dann mit den liegengebliebenen Waggons kollidiert, hieß es. Auch ein Güterzug soll beteiligt gewesen sei. Wie genau das alles passierte, war auch am Samstag nicht klar. Bahnminister Ashwini Vaishnaw kündigte eine Untersuchung der Unglücksursache an.

Premierminister Narendra Modi besuchte am Samstag den Unglücksort und Verletzte in einem Krankenhaus. Dort sagte er laut örtlichen Medien wie der Hindustan Times: „Die Verantwortlichen werden schwer bestraft.“ Es seien demnach Instruktionen gegeben worden, bei der Untersuchung „jeden Blickwinkel“ zu beachten. Sein Büro hatte – wie dies in Indien bei Unfällen in Zusammenhang mit der Infrastruktur üblich ist – bereits kurz nach dem Unglück eine Entschädigung für die Angehörigen der Toten von je 200.000 Rupien (2.267 Euro) angekündigt. Verletzte sollen etwa 50.000 Rupien (567 Euro) bekommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben sich bestürzt über das schwere Zugunglück in Indien gezeigt. Scholz schrieb am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Das Zugunglück in Indien mit Hunderten Toten und Verletzten erschüttert mich zutiefst. Meine Gedanken sind bei den Opfern, Verletzten und ihren Familien. Deutschland steht an der Seite Indiens in dieser schweren Zeit.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kondolierte ebenfalls über Twitter. Sie schrieb an die Adresse von Regierungschef Narendra Modi: „Europa trauert mit Ihnen“. Sie spreche den Angehörigen der Opfer angesichts der schrecklichen Nachrichten ihr tief empfundenes Beileid aus und wünsche den Verletzten baldige Genesung.

Auch Papst Franziskus hat den Opfern sein Mitgefühl ausgedrückt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche sei tief betrübt gewesen, als er von dem verheerenden Unglück im Bundesstaat Odisha erfuhr, hieß es in einem offiziellen Telegramm an den Vatikanbotschafter in Indien, Leopoldo Girelli, am Samstag. Der Pontifex versicherte demnach „allen, die von dieser Tragödie betroffen sind, seine geistliche Nähe“. Seine Gedanken seien nun auch bei den trauernden Angehörigen der Opfer und den vielen Verletzten. Er erinnerte an die Rettungskräfte, für die er die „göttlichen Gaben des Mutes und der Tapferkeit“ erbat.

Zugunfälle kommen in Indien häufig vor, meist mit vielen Toten – unter anderem bei den Unglücken von Kanpur 2016, Valigonda 2005, Rafiganj 2002, Gaisal 1999 und Khanna 1998. Als größte Bahnkatastrophe der Geschichte gilt das Unglück von Seenigama in Sri Lanka, wo am 26. Dezember 2004 die Tsunami-Welle einen vollbesetzten Expresszug erfasste und ungefähr 1.800 Menschen starben.


EVN / dpa