BRAUNSCHWEIG | Zahlreiche Eisenbahnfachschulen in Deutschland bilden künftige Lokführer aus – der Fachkräftemangel ist enorm. Doch tut auch die Politik genug?
Bei der Norddeutschen Eisenbahnfachschule (NEF), eine der größten Bildungseinrichtungen dieser Art, absolvieren jährlich 130 Menschen an mehreren Standorten die Aus- und Weiterbildung zum Triebfahrzeugführer. Die Teilnehmer werden in 11,5 Monaten bestens auf den Beruf vorbereitet. Neben der theoretischen Lernzeit gehören auch praxisorientierte Besuche in Eisenbahnbetrieben und Trainings im Zugsimulator dazu. Nach der Ausbildung und der bestandenen Prüfung können die Teilnehmer bei Eisenbahnbetrieben im Güter- oder Personenverkehr eingesetzt werden.
Das Mindestalter für den DEKRA-zertifizierten Lehrgang liegt bei 20 Jahren. Ein Hauptschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung und gute Deutschkenntnisse sind ebenfalls Mindestvoraussetzungen für eine Teilnahme. Darüber hinaus müssen die Bewerber eine körperliche und psychische Tauglichkeit nachweisen.
Der Lokführerberuf sei zukunfts- und krisensicher, betonte Jörg Winkelmann, Marketingmanager der Norddeutschen Eisenbahnfachschule, gegenüber Bahnblogstelle bei einem Besuch in Braunschweig. Je nach Unternehmen liege das jährliche Gehalt für einen Lokführer bei 30.000 bis 50.000 Euro. Für den Quereinstieg in den Beruf werden vor allem Menschen zwischen 30 und 50 Jahren angesprochen. Aber auch Menschen, die noch im hohen Alter eine Umschulung zum Lokführer absolvieren möchten, haben dazu die Möglichkeit. Der älteste Teilnehmer war laut Winkelmann bereits 62 Jahre alt. Die Ausbildung erfolgt in Gruppen mit bis zu 15 Personen, die Lernteams seien dabei bunt gemischt – auch Zuwanderer mit dem Sprachniveau B1 haben die Chance Lokführer zu werden. Für Arbeitssuchende kann die Funktionsausbildung zum Lokführer durch Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit gefördert werden.
Im Gespräch verriet der Marketingmanager auch, dass es trotz des großen Fachkräftemangels derzeit keine bundesweite Kampagne für den Lokführerberuf gibt. Diese wäre wünschenswert, um mehr Menschen zu erreichen, erklärte Winkelmann. Allerdings sei der Branchenverband Allianz pro Schiene seit einiger Zeit bereits intensiv mit der Politik in Kontakt, um das Thema zu adressieren. Um die Verkehrswende zu erreichen, sei die Eisenbahn von entscheidender Bedeutung betonen Branchenkenner immer wieder. Und auch Winkelmann machte deutlich, es wäre höchste Zeit, mehr gegen den Lokführermangel zu tun – denn viele ältere Kollegen gehen in den Ruhestand und der Nachwuchs fehlt.
Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Lokführer ist mittlerweile auch das Training an Simulatoren. Die NEF verfügt über zwei vollfunktionsfähige Führerstandsnachbauten, die den Loktypen Stadler Eurodual (Baureihe 159) und Siemens Vectron (Baureihen 193/248/249) nachempfunden sind. Diese originalgetreuen Führerstände an den Standorten Braunschweig und Osnabrück bieten die Möglichkeit, theoretisches Wissen direkt zu vertiefen und den Umgang mit möglichen Unregelmäßigkeiten und Störungen im Berufsalltag zu üben. Für das Lernen im Führerstandsnachbau kommt das von Carsten Hölscher entwickelte Zugsimulationsprogramm Zusi zur Anwendung.
Neben der Ausbildung werden die Simulatoren bei der Norddeutschen Eisenbahnfachschule aber auch regelmäßig von erfahrenen Lokführern genutzt – zum Training und für die jährlichen Prüffahrten. Interessierte Eisenbahnverkehrsunternehmen können die Einrichtung dann für ihre Mitarbeitenden buchen, wie Winkelmann sagte. Und sogar Eisenbahnfans können bei freien Kapazitäten die Simulatoren nutzen. Eine Anmeldung ist über die Internetseite der NEF möglich. Der Preis für eine 60-minütige Fahrt liegt hier bei rund 300 Euro.
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