Kein Örtchen unterwegs – Zugtoiletten im Südwesten oft gesperrt


STUTTGART | Wenn das Klo im Zug mal wieder gesperrt ist, muss es nicht immer an einer defekten Toilette liegen. Oft werden Züge die stinkende Ladung auch einfach nicht los.

Nicht nur für Bahnreisende kann es ziemlich unangenehm werden, wenn kleine oder große Geschäfte auf längeren Fahrten unterwegs nicht so erledigt werden können, wie es der Druck verlangt. Auch für die Bahnunternehmen ist der Zustand ihrer Zug-Toiletten ein steter Pannenindikator – und Grund für Ärger. In den meisten Fällen lägen die Mängel an den stillen, aber nicht zu gebrauchenden Örtchen keineswegs bei den Bahnbetreibern, argumentieren sie. Vielmehr gelinge es sehr oft nicht, die stinkenden Inhalte in den Tanks unter den Latrinen auf Schienen loszuwerden. Inzwischen sind die Klagen auch ein Thema für die Landes- und die Bundespolitik.

So bemängelt zum Beispiel das baden-württembergische Verkehrsministerium eine „desolate Sauberkeit in Toiletten“, die Checklisten der Qualitätsprüfer stellen den Anbietern zudem alles andere als ein gutes Zeugnis aus. Demnach ist im vergangenen Jahr nur in einem einzigen Netz der Zielwert von 98 Prozent bei der sogenannten Schadensfreiheit und damit auch der Verfügbarkeit der Toiletten erreicht worden. Am schlechtesten schnitten die Züge im Rheintal und rund um Freiburg sowie in der Region Franken-Enz ab.

Verantwortung bei der Deutschen Bahn

Die Schuld schiebt auch das Landesverkehrsministerium der Deutschen Bahn zu. Der Fehler liege in vielen Fällen nicht beim regionalen Betreiber: „Vielmehr ist die technische Verfügbarkeit der infrastrukturellen Ver- und Entsorgungseinrichtungen zur Entleerung der Toiletten und zur Versorgung mit Frischwasser stellenweise unbefriedigend, da überaltert und oftmals nicht funktionsfähig“, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Jan-Peter Röderer. Wesentlich verantwortlich für die Probleme seien die zu geringen Investitionen in Erhalt und Ausbau der Einrichtungen.

Auf die Kassenlage verweist auch die Bahn. „Natürlich bedauern wir die Einschränkungen für die Kunden“, sagt ein Sprecher des Konzerns. „Wir haben das Problem verstanden und bemühen uns, defekte Stationen so schnell wie möglich wieder bereitstellen zu können.“ Grund für die Ausfälle sei unter anderem eine anhaltende Unterfinanzierung der Infrastruktur. „Die Anlagen sind zudem störungsanfällig“, sagt der Bahnsprecher. Sie würden allerdings auch immer mal wieder falsch bedient und fielen dann aus.

Neue Anlagen und mehr Störungen

Dabei hat die Bahn das Netz ihrer Entsorgungsanlagen in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Gab es 2018 noch 293 Stück, so hat sich ihre Zahl bis zum vergangenen Jahr auf 600 mehr als verdoppelt. Im selben Zeitraum ist allerdings auch die Zahl der Störungen explodiert von 136 auf 627. Im Durchschnitt war eine Anlage vor sechs Jahren noch 17 Tage lang nicht zu gebrauchen, im vergangenen Jahr waren es laut Deutsche Bahn 2,5 Tage. Laut Ministerium werden die meisten Einrichtungen vom neu gegründeten Bahn-Tochterunternehmen DB InfraGo betrieben und gegen Entgelt von den verschiedenen Betreibern genutzt. Mit der DB InfraGo hat das Land allerdings kein Vertragsverhältnis.

Dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) reicht das nicht. Kunden müssten besser informiert werden: „Es braucht ein verlässliches Auskunftsportal, aus dem die Verfügbarkeit der Entsorgungsanlagen jederzeit zuverlässig ersichtlich ist“, fordert er. „Damit wird vermieden, dass Züge diese Anlagen ansteuern, ohne dort ihre Tanks leeren zu können.“

Auch der frustrierte Streckenanbieter Go-Ahead hat Buch geführt und kommt zu gänzlich anderen Ergebnissen. Demnach summierte sich die Anzahl der Tage, an denen unter anderem die Entsorgungsanlagen der Bahn in Donauwörth und Treuchtlingen ausfielen, zwischen dem 10. Dezember 2023 und dem 17. Januar dieses Jahres auf 71 für beide Standorte zusammen. Es sei ein großes Ärgernis, eine moderne Fahrzeugflotte zu besitzen und Fahrgästen viel zu oft keine funktionierenden Toiletten anbieten zu können, beklagt Go-Ahead. In Gesprächen mit der Deutschen Bahn dränge man darauf, dass sich die Lage bessere.

Viele Entsorgungsanlagen voller Fehler

Go-Ahead sieht den Fehler vor allem in einer verpassten Modernisierung: „Wir erleben Entsorgungsanlagen, die oft Jahrzehnte alt und sehr störanfällig sind sowie sehr lange Ausfallzeiten haben wegen fehlender Bevorratung von vermutlich bereits abgängigen Ersatzteilen.“ Zusätzlich zur maroden Technik gehe das Bedienpersonal in den Entsorgungsstellen teilweise nur mäßig bis gar nicht motiviert und oftmals auch nicht ausreichend qualifiziert an seine Aufgaben heran.

Ähnlich klingt es mit Blick auf das vergangene Jahr bei der SWEG Bahn Stuttgart GmbH (SBS). Vor allem im vierten Quartal des vergangenen Jahres habe es Probleme gegeben. Bordtoiletten hätten nicht ausreichend angeboten werden können, weil Ver- und Entsorgungsanlagen der DB InfraGo defekt gewesen seien und zusätzliche Infrastrukturschäden das Anfahren und somit die Nutzung der Anlagen unmöglich gemacht hätten. „Die WCs konnten nicht entleert werden und die Befüllung mit Frischwasser war nur eingeschränkt möglich“, sagt SBS-Sprecherin Hanne Lützelberger.

In den Zügen mehrerer Linien (6, 10, 12 und 18) seien die Toiletten zeitweise – zum Teil mehrere Tage lang – gesperrt worden. „Ein Umstand, den wir unseren Fahrgästen nur sehr widerstrebend zugemutet haben“, sagt Lützelberger. „Leider gab es jedoch keine Alternative. Viele Toilettentanks waren voll.“ Die Situation habe sich in den vergangenen Monaten zwar verbessert. „Eine Instandsetzung beziehungsweise eine Erneuerung der äußerst störungsanfälligen Anlagen ist unseres Erachtens jedoch zwingend erforderlich.“


dpa / EVN