BERLIN | Erstmals seit fast zehn Jahren fährt wieder ein Nachtzug zwischen Berlin und Paris. Die Freude bei Bahnfans währte angesichts der Preise allerdings nur kurz. Und auch sonst muss für einen Durchbruch der Nachtzüge noch viel passieren.
In Berlin einschlafen, in Paris aufwachen und dabei auch noch CO2 einsparen – als Alternative zum Flugzeug auf langen Strecken fordern Verkehrsexperten schon lange mehr Nachtzüge durch Europa. Insbesondere die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) treiben das Thema voran und bringen immer mehr Verbindungen auf die Gleise. An diesem Montag fährt erstmals seit fast zehn Jahren wieder ein Nachtzug zwischen beiden europäischen Hauptstädten. Am Berliner Hauptbahnhof sollte er am Abend unter anderem vom Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verabschiedet werden. Eine Zughälfte fährt nach Brüssel, die andere nach Paris.
Kooperation mehrerer Eisenbahnunternehmen
Die Verbindung betreibt die ÖBB in Kooperation mit der Deutschen Bahn, der französischen Staatsbahn SNCF sowie der belgischen NMBS/SNCB. Die Fahrzeuge des sogenannten Nightjets stammen vom österreichischen Konzern. Personell besetzt und vertrieben werden sie von allen beteiligten Eisenbahnunternehmen. Drei Mal pro Woche soll der Nachtzug nun zwischen Berlin, Paris und Brüssel fahren. Ab Oktober 2024 ist die Verbindung täglich geplant. Ankommen werden die Fahrgäste am Bahnhof Paris Est.
Nachdem die Bahn in Deutschland ihr Nachtzugangebot im Jahr 2014 eingestellt hatte, hat sie das Thema in den vergangenen Jahren wieder für sich entdeckt – angetrieben durch die Diskussion über die Rolle von Nachtzügen für die Verkehrswende und durch den Druck der Konkurrenz. Die Nachtzuglücke der Deutschen Bahn füllten zuletzt immer mehr andere Unternehmen: Der niederländische European Sleeper nahm dieses Jahr eine Verbindung zwischen Berlin und Amsterdam auf. Das schwedische Bahnunternehmen SJ bietet seit dem Frühjahr einen Nachtzug zwischen Hamburg und Stockholm an.
LESEN SIE AUCH
Keine Nachtzug-Renaissance bei der Bahn
Bei den eigenen Angeboten kooperiert die Bahn nun ausschließlich mit ausländischen Bahnunternehmen wie der ÖBB. Eigene Züge setzt sie bisher nicht ein. Von einer Renaissance des Nachtzugs bei der Bahn wollen Kritiker deshalb nichts wissen. “Kurzfristig ist das auch kaum möglich”, sagt etwa Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. “Selbst wenn sich die DB heute entscheiden würde, mit neuen Fahrzeugen wieder in den Markt einzusteigen – was die Allianz pro Schiene sehr begrüßen würde -, bräuchte es mindestens vier bis fünf Jahre, bis das Angebot letztendlich auf der Schiene wäre.”
Aber nicht nur bei der Bahn, auch europaweit sieht Flege Nachholbedarf. “Die neue Nachtzugverbindung von Berlin nach Paris und Brüssel ist die Antwort auf die stetig wachsende Nachfrage der Reisenden”, sagt er. “Wir wünschen uns darüber hinaus auch attraktive direkte Nachtzugverbindungen von Deutschland nach Großbritannien, Spanien und Südfrankreich, um die Reise noch komfortabler zu machen.”
Vergleichsweise hohe Preise
Ein Dämpfer für die Fans des neuen Nachtzugs zwischen Berlin und Paris sind wohl die relativ hohen Preise. Das günstigste Angebot für eine Fahrt Anfang Januar kostet aktuell knapp 45 Euro pro Person, allerdings für einen Sitzplatz inklusive Reservierung in der zweiten Klasse. In den Liegewagen reichen die Preise von knapp 100 Euro (Liegeplatz im Abteil mit sechs Liegen) bis zu mehr als 600 Euro (Privatabteil Liegewagen). Im Schlafwagen mit Betten kostet eine Fahrt zwischen 165 Euro für eine Fahrt im Abteil mit drei Betten bis zu 475 Euro für ein Abteil mit einem Bett (Alle Preise Stand 11. Dezember).
Nicht nur für viele Familien dürfte das zu teuer sein. “Es ist sicherlich kein Schnäppchen, das ist nichts für Leute, die ausgesprochen kostengünstig reisen möchten”, sagt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn. Das Angebot richte sich vor allem an Geschäftsreisende. “Da steht der Preis nicht so im Vordergrund, sondern vor allem Bequemlichkeit und entspanntes Reisen.” Trotzdem sei die neue Verbindung ein Schritt in die richtige Richtung, betont Neuß. Es brauche mehr Alternativen zum Flugverkehr auf der Schiene.
dpa