Münchner Oberbürgermeister beklagt miese Kommunikation zur zweiten Stammstrecke


MÜNCHEN | Die Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss zur zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke nähern sich dem Ende. Immer wieder wurde in den Vernehmungen eine unzureichende Kommunikation beklagt. Auch der Münchner Oberbürgermeister ist deshalb sauer.

Die störungsanfällige Münchner S-Bahn-Stammstrecke sorgt nicht nur bei der Bevölkerung regelmäßig für Ärger, auch der Neubau der zweiten Stammstrecke führt bis in die Stadtspitze zu großem Verdruss. Neben der jahrelangen Verzögerung monierte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zum Debakel beim Bau des Mammutprojekts eine miserable Kommunikation der Projektpartner. „Ich habe von keiner Seite ausreichende Informationen bekommen, weder von der Bahn, noch von der Staatsregierung“, klagte Reiter im bayerischen Landtag.

Selbst der seit 2018 amtierende Finanzminister Albert Füracker (CSU) hat nach eigenen Worten erst Anfang April 2022 Informationen zur Verzögerung sowie den Mehrkosten in Milliardenhöhe bekommen – obwohl Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) schon im Herbst 2020 alarmiert war. „Diese Aussage halte ich für unglaubwürdig“, kommentierte der Grünen-Abgeordnete Markus Büchler. Laut Aktenlage sei die Nachricht am 1. Oktober 2020 als eigener Tagesordnungspunkt in den Ministerrat getragen worden. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Bombe nicht heftige Debatten ausgelöst hat.“ Selbst wenn Füracker nicht anwesend gewesen sein sollte, müsste ihm die Hiobsbotschaft zugetragen worden sein.

„Umsetzung und Projektsteuerung liegen in Veranwortung des Bauministerium“, betonte hingegen Füracker wiederholt auf Fragen der Abgeordneten zu Problemen und zur Finanzierung des größten Infrastrukturprojekts des Freistaats. Befürchtungen, der Bund könne sich wegen der vom Bundesrechnungshof harsch kritisierten Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) aus der Finanzierung zurückziehen, teilte Füracker nicht. „Ich verlass mich da wirklich drauf!“, sagte er.

In der NKU wurde nur knapp der für eine Förderung durch Bundesmittel nötige Wert erreicht. Der Bundesrechnungshof hatte jedoch die Berechnung bemängelt und konstatiert, dass das Mammutprojekt nicht wirtschaftlich und damit auch nicht förderfähig sei.

Oberbürgermeister Reiter dürfte die Hoffnung Fürackers teilen, denn ohne Bundesmittel wäre die sehnsüchtig erwartete Stammstrecke wohl für den Freistaat nicht finanzierbar – schon nach den aktuellen Prognosen liegt der Kostenanteil für Bayern bei etwa 3,7 Milliarden Euro, zuzüglich aller Preissteigerungen nach dem Jahr 2021.

Jenseits von vagen Andeutungen des Projektleiters der Deutschen Bahn habe er erst unmittelbar vor der Öffentlichkeit im September 2022 von der Bahn offiziell erfahren, dass sich die Fertigstellung von 2028 bis ins Jahr 2037 verzögern und die Kosten von 3,85 Milliarden auf rund 7 Milliarden Euro zuzüglich Teuerung steigen werden, sagte Reiter. Dies sei „ein Faustschlag ins Gesicht“ angesichts der dringend nötigen Verkehrswende, des stetigen weiteren Zuwachses der Bevölkerung und einer halben Million Einpendler täglich.

In der Zwischenzeit habe sich die Kommunikation mit der Bahn zwar etwas verbessert, doch es gebe immer noch Negativ-Beispiele: So habe er erst am Mittwoch von der am Donnerstag bekannt gemachten Verzögerung beim Austausch des veralteten Stellwerks Ost erfahren, das immer wieder für großflächige Störungen im S-Bahn-Netz der Region verantwortlich ist. Die Bauarbeiten für das neue elektronische Stellwerk verzögern sich demnach bis voraussichtlich August 2024. „Die Münchner und Münchnerinnen freuen sich also weiterhin auf die bekannte Durchsage ‚Stammstreckenstörung durch Stellwerksstörung'“, kommentierte Reiter im Untersuchungsausschuss bissig.


dpa