Kein neues ICE-Werk im Raum Nürnberg – Bedauern und Erleichterung über Entscheidung


NÜRNBERG | Nach der Entscheidung der Deutschen Bahn, im Raum Nürnberg kein ICE-Werk zu bauen, kommen Verbände, Politik und Gewerkschaften zu unterschiedlichen Bewertungen.

Die Deutsche Bahn hat am Donnerstag verkündet, kein neues Instandhaltungswerk für den Fernverkehr in Bayern bauen zu wollen. Die jahrelange Standortsuche um den traditionsreichen Eisenbahner-Standort Nürnberg blieb letztlich erfolglos. „Wir müssen nun feststellen, dass es keinen geeigneten Standort gibt“, hatte der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bayern, Klaus-Dieter Josel, gesagt. Man suche nun nach Alternativen in anderen Bundesländern.

Die Bahn braucht ein zusätzliches ICE-Werk, da die Zahl der Hochgeschwindigkeitszüge jeden Monat um drei neue Garnituren wächst. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bedauerte die Entscheidung. Ihr Vorsitzender sprach von einem „schwarzen Donnerstag“ für Nürnberg. „Für die Wiege der Eisenbahn in Deutschland ist das ein schwerer Schlag“, erklärte EVG-Chef Martin Burkert. „Dass es in der Metropolregion Nürnberg nicht möglich ist, ein neues und hochmodernes ICE-Werk mit zahlreichen neuen und zusätzlichen Arbeitsplätzen zu bauen, hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Bayerns Ministerpräsident und der Oberbürgermeister seien bei der Verkündung des Standorts „noch voller Euphorie“ gewesen; „leider ist die weitere Unterstützung ausgeblieben“. Dass für die Verkehrswende auch Infrastruktur notwendig sei, „darüber sollten auch die Umweltschutzverbände nachdenken“, so Burkert weiter.

400 Millionen Euro hatte die Deutsche Bahn in das Werk investieren wollen, um die Fahrzeuge ihrer wachsenden ICE-Flotte zu warten, zu reinigen und gegebenenfalls zu reparieren. Wie viel Geld nun durch die erfolglose Standortsuche in und um Nürnberg verloren ging, wollte die Bahn am Donnerstag nicht offenlegen – es dürfte ein zweistelliger Millionenbetrag sein. Neun solcher Werke gibt es bundesweit, Nürnberg hätte als Bahn-Knotenpunkt gut auf die Landkarte gepasst. Der Rückhalt in der Bevölkerung fehlte. Und am Ende fiel die Unterstützung durch die Politik auch eher mager aus.

Schon 2021 hatte sich die Nürnberger CSU gegen den von der Bahn favorisierten Standort im Stadtteil Fischbach ausgesprochen – im Nachhinein gestützt von einer Studie der TU München. Zu nahe an den bürgerlichen Wohngebieten im Nürnberger Osten, zu schädlich für das Naherholungsgebiet des Nürnberger Reichswaldes, lauteten damals die Argumente. Ministerpräsident Markus Söder schwante damals schon nichts Gutes. Seinen Parteifreunden warf er indirekt vor, nach dem St. Florians-Prinzip zu handeln – wohlwissend, dass mit dem Sterben des Standortes Fischbach das ganze Projekt auf tönernen Füßen stand.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Sebastian Körber gab Söder und seiner Regierung sogar direkt die Schuld an dem Scheitern des Projekts. „Statt sich klar für die Notwendigkeit des ICE-Werks auszusprechen und für die Realisierung im Raum Nürnberg zu werben, hat er der Standortsuche von Anfang an einen Bärendienst erwiesen“, heißt es in einer Mitteilung Körbers. Schon 2021 habe Söder politisch in die Standortsuche eingegriffen und dem Standort Fischbach eine Absage erteilt.

Am Donnerstag kam aus der CSU-Stadtratsfraktion sogar verhaltener Jubel. „Mit Erleichterung“ habe man zur Kenntnis genommen, dass die langwierige Standortdiskussion nun seitens der Bahn beendet worden sei. Fraktionschef Andreas Krieglstein richtete sogar Vorwürfe gegen den Bauherren. „Wir erleben das Ende der extrem langwierigen Standortdiskussionen um das ICE-Werk, die von Anfang an von Seiten der Bahn nicht professionell vorbereitet und geführt wurden.“

Am Ende gingen nach der Prüfung von insgesamt 100 Standorten drei Alternativen in das Raumordnungsverfahren beim Bezirk Mittelfranken, von denen eine schlechter als die andere war. Die Regierung kippte zwei der Vorschläge vollends, der Standort des ehemaligen Munitionslagers blieb – allerdings auch nur mit massiven Auflagen – übrig. Die Bahn prüfte diesen noch einmal. Und kam am Ende zu dem Schluss, dass es die riesigen Herausforderungen – etwa beim Beseitigen alter Kampfmittel – nicht wert sind.

In der Klemme stecken nun auch die Naturschützer. Sie hatten sich gegen die von der Bahn ins Spiel gebrachten Standorte gestellt, weil diese allesamt den Reichswald um Nürnberg in Mitleidenschaft gezogen hätten – mitsamt der Belastungen für das Grundwasser, der Lichtverschmutzung durch helle Scheinwerferbeleuchtung und der Lärmbelastung, etwa durch ständige akustische Signaltests. Andererseits bedauern sie den Verzicht auch. Dass Hunderte Bäume nicht der Kettensäge zum Opfer fielen, bezeichnete der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner, als „Riesenerfolg“.

Andererseits hätten der Bund Naturschutz wie auch etwa die Grünen das ICE-Werk als Teil einer umweltverträglichen Verkehrswende von der Straße auf die Schiene gutgeheißen. Ein entsprechender Vorschlag, das Werk in den Nürnberger Binnenhafen zu verlegen, sei auch mangels Unterstützung von Stadtspitze und Staatsregierung nicht weiterverfolgt worden. „Für die Verkehrswende wäre ein ICE-Werk in der Region ein wichtiger Baustein gewesen, da er in der Zukunft zusätzliche Bahnverbindungen ermöglicht hätte“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sascha Müller.


EVN / dpa