BERLIN | Die von der Ampel-Regierung versprochene Verkehrswende ist nach Ansicht der Wettbewerbsbahnen im Güterverkehr bislang ausgeblieben.
Aktuell sei Deutschland weiter von der Verkehrswende entfernt als noch vor einem Jahr, sagte Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) und des dazugehörigen Güterbahnen-Bündnisses. Die Regierung komme trotz aller Probleme „nicht vom Fleck“ – lediglich aus dem Markt komme Bewegung. „Industrielle Logistiker und Klimaschützer leiden gleichermaßen daran, dass die zuständigen Ministerien das Schienennetz und den Schienengüterverkehr nur mit Worten, aber bisher nicht mit Taten unterstützt haben“, so Kerkeling weiter.
„Statt den Dieselverbrauch durch Tankrabatt und die neue Idee einer Aussetzung der CO2-Bepreisung anzuheizen und der unfassbaren Bahnstrompreissteigerung – in der Spitze bis zu 1.000 Prozent – tatenlos zuzusehen, müsste die Regierung wie in anderen Ländern eine Energiepreisschere zwischen Lkw und Schiene verhindern“, forderte Thomas Knechtel, Vorstandsmitglied der GÜTERBAHNEN. Es dürfe nicht sein, dass die Klimafreundlichkeit der elektrisch betriebenen Schienenverkehre sogar im eigenen Sektor unterlaufen werde, weil auf einigen Strecken die Fahrt einer Diesellok einen Preisunterschied von 30 Prozent ausmache.
GÜTERBAHNEN-Geschäftsführer Peter Westenberger warnte zudem vor einem „Netzinfarkt“. Die Baustellensituation habe sich weiterhin nicht verbessert. Verweise auf eine immer noch nicht präzisierte Generalsanierung ab 2024, wie von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und DB-Chef Richard Lutz im Juni angekündigt, reichten nicht.
Auf Forderungen nach einer verbesserten Baustellenplanung habe es bislang keine Reaktion gegeben. Eine Absage gab es hingegen für den Vorschlag, Trassenpreis-Abschläge wegen der schlechten Qualität, zu verhängen. Stattdessen sei bereits angekündigt worden, wie jedes Jahr auch ab Ende 2023 die Trassenpreise weiter erhöhen zu wollen. Zeitgleich wolle die Regierung, die seit 2018 gewährte Trassenpreisförderung, auslaufen lassen, teilte der Verband mit.
„Bei den jetzt beginnenden Haushaltsberatungen muss sich zeigen, ob die Koalition hinter ihrem eigenen Grundlagenvertrag steht“, sagte Kerkeling. „Sie muss vor allem die Investitionen in den Neu- und Ausbau der Schiene gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung deutlich erhöhen und kontraproduktive Subventionen wie die Lkw-Maut-Befreiung auf 94 Prozent des Straßennetzes beenden.“
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer war am Montag bei einer Veranstaltung der Wettbewerbsbahnen auf Schloss Nideggen im Landkreis Düren zu Gast. Die größte Herausforderung sei laut dem Grünen-Politiker die derzeitige Infrastruktursituation der Schiene in Deutschland. Es müsse der Politik vor allem darum gehen, in den Erhalt zu investieren, ohne dabei den Ausbau zu vernachlässigen. Die zusätzlichen Aufgaben, die durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg auf den Schienengüterverkehr zugekommen sind, hätten Probleme offengelegt, so Krischer. Politik und Branche müssten nun in einen gemeinsamen Dialog treten, um das Potenzial der Schiene auszuschöpfen.