BERLIN | Noch gut drei Wochen können die Menschen in Deutschland extrem günstig Busse und Bahnen im Nahverkehr nutzen. Doch wie teuer sollte der ÖPNV dauerhaft sein? Die Debatte reißt nicht ab.
In der Diskussion um günstigere Fahrkarten für Busse und Bahnen spricht sich der Deutsche Landkreistag gegen weitere Rabattaktionen aus. “Dies wäre keine nachhaltige Investition”, teilte Präsident Reinhard Sager (CDU) am Dienstag mit. Die Tarife des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) seien im Vergleich zu den Kosten eines eigenen Autos nicht zu teuer. Eine zusätzliche Subventionierung sei nicht notwendig.
Das 9-Euro-Monatsticket für den Nahverkehr ist im August letztmalig zu haben. Die insgesamt dreimonatige Aktion sollte Pendler angesichts hoher Energiepreise unterstützen und für einen Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen werben.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekräftigte am Dienstag seine Absage an eine Verlängerung. Die Entgelte der Nutzer seien notwendig für eine sinnvolle Lenkung, teilte er mit. Gratis sei nicht besser. “Begrenzte Steuermittel brauchen wir für Investitionen in die Netzinfrastruktur.” Lindner hatte Kritik auf sich gezogen, als er in der Debatte von “Gratismentalität” sprach.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland warf Lindner am Dienstag vor, Menschen zu verhöhnen, die mit ihren Steuern Dienstwagen für Besserverdienende und den Autobahnbau finanzierten. Notwendig seien mehr Bus- und Bahnlinien mit engeren Takten besonders auf dem Land, um mehr Menschen für den ÖPNV zu gewinnen. “Dafür braucht das 9-Euro-Ticket ein Nachfolgeangebot und das ÖPNV-Angebot deutliche Verbesserungen.”
Verbandsgeschäftsführerin Antje von Broock unterstütze die Idee eines 365-Euro-Jahrestickets. Für den massiven Angebotsausbau seien auch Bundesmittel notwendig. “Nur so wird der Verkehr seine Klimaziele überhaupt einhalten können.” Auch der Landkreistag forderte, den ÖPNV außerhalb der Großstädte zu einer “alltagstauglichen Mobilitätsalternative” zu machen.
Seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis einschließlich Montag sind nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen bundesweit rund 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Außerdem erhielten monatlich etwa zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten einen entsprechenden Rabatt.
“Das 9-Euro-Ticket hat wie mit einem Brennglas die Probleme im Regionalverkehr aufgezeigt”, sagte der Chef des Gesamtbetriebsrates von DB Regio, Ralf Damde, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). “Es gibt nicht genügend Personal und insbesondere zu wenig Fahrzeuge, um den Anstieg der Fahrgastzahlen auch in Zukunft aufzufangen”, sagte er. “Der Bund muss einen zentralen Fahrzeugpool finanzieren, der mit mindestens 300 Fahrzeugen bestückt ist und an mehreren Standorten in Deutschland steht.”
Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Station & Service, Heike Moll, macht sich für einen runden Tisch stark. Eine direkte Fortsetzung des 9-Euro-Tickets lehnt sie ab: “Wir brauchen erst einmal ein, zwei Monate, damit wir sortieren und auswerten können. Was lief gut, wo tauchten Probleme auf?”, sagte Moll dem RND. Sie freue sich, dass Menschen wieder verstärkt Bahn fahren wollten. Nun müssten sich jedoch alle Beteiligten von Bund und Ländern bis hin zu Eisenbahnunternehmen und Gewerkschaften zusammensetzen und “besprechen, was realisierbar ist”, so Moll.