BERLIN | Bund und Länder planen ein Billigticket für Busse und Bahnen über den Sommer wegen der hohen Energiekosten. Lockt es viele neue Fahrgäste an? Verbraucherschützer dringen auf mehr als eine einmalige Aktion.
Die Verbraucherzentralen sehen die geplanten 9-Euro-Monatstickets für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als Chance, fordern aber auch grundlegende Verbesserungen. Die Mobilitätsexpertin des Bundesverbands, Marion Jungbluth, sagte der Deutschen Presse-Agentur, das bundesweit gültige Ticket könnte als „Booster für Busse und Bahn“ wirken. Bisher schreckten komplizierte Tarife viele vom Umstieg ab. „Das ändert sich nun, und der ÖPNV wird damit einfacher und verbraucherfreundlicher.“ Daraus sollte die Bundesregierung Schlüsse ziehen und dafür sorgen, dass wesentliche Ticket- und Beförderungsbedingungen endlich vereinheitlicht werden.
Auf keinen Fall dürften die Preise kurz nach der 9-Euro-Ticketphase wegen höherer Kraftstoffkosten steigen, die ja auch Busse und Bahnen betreffen, sagte Jungbluth. „Deshalb muss die Bundesregierung ein Preismoratorium für Busse und Bahn bis zum Ende der Energiekrise aussprechen und die steigenden Kosten für den ÖPNV ausgleichen.“ Gleichzeitig müsse das System des ÖPNV auch effizienter werden.
Die Sondertickets sollen im Juni, Juli und August bundesweit Fahrten im Nah- und Regionalverkehr ermöglichen – für jeweils 9 Euro im Monat und damit viel günstiger als normale Monatstickets. Sie sind Teil des Entlastungspakets der Ampel-Koalition wegen der hohen Energiepreise. Zugleich soll es ein Schnupperangebot sein, um mehr Kunden für Busse und Bahnen zu gewinnen. Der Bund finanziert es, indem er den Ländern 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen gibt. Das Gesetz kommt am Donnerstagabend in erster Lesung in den Bundestag.
Verbraucherschützerin Jungbluth warnte mit Blick auf die operative Umsetzung, gerade im Sommer könnten fehlende Kapazitäten zu Engpässen führen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Ausflugsfahrten vom Auto auf Busse und Bahnen verlagern – und diese in den Sommermonaten und an Wochenenden sowieso schon mehr als voll seien. „Das Schnupperangebot könnte also zum Abschreckungsangebot werden.“
Generell sei das 9-Euro-Ticket in erster Linie ein notwendiger Ausgleich für den ebenfalls vorgesehenen Tankrabatt, der weder die Energiepreis- noch die Klimakrise lösen werde, sagte Jungbluth. „Auch wenn der Benzinpreis um 30 Cent sinkt, sollte die Entscheidung nicht immer fürs Autos ausfallen.“ Sie riet mit Blick auf einen wohl erst später wirkenden Einfuhrstopp für Öl aus Russland dazu, den Zeitplan zu überdenken. „Eine Verschiebung wäre deshalb sinnvoll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Entlastungen durch das 9-Euro-Ticket und den Tankrabatt genau dann auslaufen, wenn die Kraftstoffpreise durch das Embargo durch die Decke schießen.“
Verkehrsunternehmen könnten zudem frühestens zum Herbst das Angebot erhöhen und den Takt verdichten, sagte die Verbraucherschützerin. Das sei aber eine notwendige Voraussetzung für ein positives Fahrerlebnis für Neu-Einsteigerinnen und Neu-Einsteiger in den ÖPNV.