Um Deutschlands Klimaziele zu erreichen, muss der Verkehr in Deutschland bis spätestens 2050 treibhausgasneutral werden – dies gilt gerade für den stark wachsenden Güterverkehr.
Zwei aktuelle Studien des Umweltbundesamtes (UBA) zeigen nun, wie das gehen kann. Kernpunkte sind die konsequente Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sowie eine Energiewende hin zu postfossilen Antrieben und Kraftstoffen.
Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA: „Der Verkehr ist der einzige Sektor, der seine Treibhausgasemissionen seit 1990 nicht mindern konnte. Um unsere Klimaziele auch mit einem wachsenden Güterverkehr zu erreichen, brauchen wir deutlich mehr Güter auf der Schiene und gleichzeitig ein Ende der fossilen Kraftstoffe auch beim Lkw-Verkehr.“
Prognosen des Bundesverkehrsministeriums zeigen: Bei einer Fortschreibung des derzeitigen Wachstums steigt die Güterverkehrsleistung bis 2030 um 38 Prozent gegenüber 2010.
„Dass dieses Wachstum nicht ohne Konsequenzen für die Umwelt bleiben wird, ist offensichtlich“, so Krautzberger.
Der Schienengüterverkehr ist daher ein unverzichtbarer Baustein für mehr Klimaschutz im Güterverkehr. Das zeigt die Studie „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050“: Richtige Rahmenbedingungen vorausgesetzt, kann bis 2050 die Verkehrsleistung der Schiene im Vergleich zu heute auf mehr als das Zweieinhalbfache gesteigert werden. Damit verbleiben 2050 jedoch immer noch 60 Prozent der Güterverkehrsleistung auf der Straße. Um auch hier auf null Treibhausgasemissionen zu kommen, müssen fossile Kraftstoffe aus den Tanks von Lkw verbannt werden.
Die Studie „Finanzierung einer nachhaltigen Güterverkehrsinfrastruktur“ zeigt konkret zwei Ansatzpunkte zur Stärkung des Schienengüterverkehrs bis 2030. Zum einen muss die Nutzerfinanzierung ausgebaut werden. Das bedeutet, die Lkw-Maut auf das gesamte Straßennetz und auf alle Lkw-Klassen auszuweiten. Zudem müssen die externen Kosten bei der Maut mit eingepreist werden, insbesondere was Treibhausgase und Lärm betrifft. Für die Bahn bedeutet das eine Erhöhung und weitere Differenzierung der Trassenpreise nach Lärm. Zum anderen empfiehlt die Studie, die Schieneninfrastruktur und die Infrastruktur für den kombinierten Verkehr schneller auszubauen.
„Der vorliegende Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) setzt daher ein völlig falsches Signal, weil er den Straßenverkehr für die nächsten 15 Jahre bevorzugt“, so Krautzberger. „Das Umweltbundesamt empfiehlt, deutlich mehr als die derzeit vorgesehenen 42 Prozent der BVWP-Finanzmittel in die Schiene zu investieren.“
Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene kann bis 2030 mit den ambitionierten Maßnahmen von 18 Prozent auf 23 Prozent gesteigert werden, so die Studie. Die Effekte sind groß: Wenn nichts passiert, stößt der Güterverkehr im Jahr 2030 noch mehr Treibhausgase aus als 2010. Demgegenüber kann eine Verlagerung auf die Schiene zusammen mit der Einführung von CO2-Grenzwerten für neue Lkw die Emissionen im Jahr 2030 um 17 Prozent gegenüber 2010 senken.
„Die vorgeschlagenen Maßnahmen stärken den Wirtschaftsstandort Deutschland“, so die UBA-Präsidentin. „Sowohl Beschäftigung als auch Wertschöpfung steigen laut unserer Studie leicht an. Und das obwohl der Straßengüterverkehr durch eine stärkere Anlastung der Umweltkosten teurer wird.“
Die Studie „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050“ zeigt darüber hinaus, wie der Verkehr seinen Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2050 insgesamt auf null senken kann.
Maria Krautzberger: „Für Null-Emissionen brauchen wir eine völlige Abkehr von fossilen Kraftstoffen – und zwar bei allen Verkehrsträgern.“
Kernelement ist eine Energiewende im Verkehr: Wo möglich, sollten alle Fahrzeuge mit Elektromotoren und Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Bei einigen Verkehrsträgern ist dies jedoch nicht möglich, zum Beispiel beim Flugzeug oder bei Seeschiffen. Hier sollen aus regenerativem Strom hergestellte Kraftstoffe wie Power-to-Liquid (PtL) oder Power-to-Gas (PtG) eingesetzt werden.
Für den Straßengüterfernverkehr untersuchte die Studie den Einsatz von PtL in Diesel-Lkw und den Oberleitungs-Hybrid-Lkw. Das Ergebnis: Beide Optionen ermöglichen im Jahr 2050 null Emissionen im Güterverkehr. Die Lösung mit Oberleitungs-Hybrid-Lkw benötigt dabei deutlich weniger erneuerbaren Strom. Insgesamt ist es kostengünstiger, so die Autoren der Studie, wenn durch vorherige Verlagerung auf die Schiene bereits deutlich weniger Energie im Verkehrsbereich benötigt wird. Verkehrswende und Energiewende im Verkehr müssen daher Hand-in-Hand gehen. Die Klimaschutzziele Deutschlands können nur mit treibhausgasneutralem Verkehr erreicht werden.
Bahn-Lobbyverband Allianz pro Schiene begrüßt Ergebnisse der Studien
„Damit ist es amtlich: Die Schiene kann für die Klimaziele im Verkehr eine Schlüsselrolle spielen“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am Freitag in Berlin.
Während interessierte Kreise gern die fehlende Kapazität des Schienennetzes als Argument gegen Verkehrsverlagerung ins Feld führen, habe das UBA nun wissenschaftlich untersucht, ob und mit welchen Mitteln mehr Güter auf die Schiene verlagert werden könnten.
„Das Argument von Lkw-Lobbyisten: ‚Wir würden ja gern, aber es geht leider nicht‘ ist damit vom Tisch“, so Flege. „Die Güterbahnen können mehr. Der Schienengüterverkehr ist nicht das Problem, sondern die Lösung.“
Die Allianz pro Schiene lobte den marktorientierten Ansatz des UBA. Bemerkenswert sei, dass die Forscher die Politik als wichtigen Erfolgsfaktor identifiziert hätten, um einen Trendbruch bei den CO2-Emissionen im Verkehr zu erreichen.
„Statt weiterer Zunahme der Treibhausgase prognostizieren die Experten des UBA eine deutliche Abnahme, wenn die Politik endlich faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Schiene und Lkw schafft“, sagte Flege. „Wir brauchen eine Senkung der Stromsteuer und einen Ausbau des Netzes für 740-Meter lange Güterzüge.“
Auch eine Halbierung der Trassenpreise dürfe angesichts der Preisschere zwischen Lkw und Güterbahn kein Tabu mehr sein, sagte der Allianz pro Schiene Geschäftsführer.
(red/ApS)