Moos, Birken und rostende Riesen: In Falkenberg kämpfen fünf Enthusiasten gegen den Zerfall einer privaten Loksammlung auf 100.000 Quadratmetern.
Moos bedeckt die alten Lokomotiven, wilder Wein rankt sich über Räder und Kessel, junge Birken wachsen aus den Tendern. “Die Natur ist leider schneller als wir”, sagt Enrico Forker und blickt auf die rostenden Giganten. Der 44-Jährige kämpft gemeinsam mit vier weiteren Enthusiasten auf einem stillgelegten Bahngelände in Falkenberg (Elbe-Elster) gegen den Zahn der Zeit.
Die Ehrenamtlichen kümmern sich um eine Sammlung mit rund 100 Lokomotiven – darunter sind 70 Dampfloks, Diesel- und Elektrofahrzeuge sowie Waggons. Der Bundesverband Deutscher Eisenbahn-Freunde hält die Sammlung für die größte private Lokomotivsammlung Europas. “Auf 100.000 Quadratmetern steht unser Arbeitsvorrat für die nächsten 200 Jahre”, sagt Enrico Forker bei einem Rundgang über das Gelände.
Ein Leben für die Lokomotive
Zusammengetragen hat die Sammlung der Eisenbahnliebhaber Bernd Falz aus Hermeskeil in Rheinland-Pfalz. Dort steht auch der zweite Teil seiner Sammlung – etwa 50 weitere Loks. “In Hermeskeil war irgendwann kein Platz mehr”, erzählt Forker. Der Vulkaniseur verliebte sich eigenen Worten zufolge bereits mit zehn Jahren in eine Dampflok, die er 27 Jahre später kaufen konnte. Heute betreut er im Auftrag von Falz den Standort Falkenberg. “Wir machen das alles in unserer Freizeit”, sagt er.
Restaurieren mit Geduld und Leidenschaft
Die Arbeit ist mühsam: Rasenmähen, Gebäude instand setzen, Loks schön machen, wie Forker es nennt. “Das dauert etwa vier Jahre pro Lok”, schätzt er. Im Lokschuppen stehen die Ergebnisse der Arbeit: restaurierte Maschinen, vor allem aus den Baureihen 50 und 52. “Das waren Kriegslokomotiven”, erklärt Forker. “Die stehen nicht hier, weil wir Fans sind – sie waren bis 1990 im täglichen Dienst bei der Deutschen Reichsbahn.”
Geschichte zum Anfassen – aber nicht zum Mitnehmen
Die Loks sind weitgehend vollständig – nur Lampen und Schilder fehlen. “Die verschwinden leider bei Tagen der offenen Tür”, sagt Forker. Deshalb verzichte die Gruppe inzwischen auf die Montage. Pfingsten kamen rund 3.000 Besucher. Offiziell geöffnet ist das Gelände jährlich nur am Pfingstwochenende, Besichtigungen sind aber nach Anmeldung auch sonst möglich.
Die rote Ludmilla und ein Jugendtraum
Zwischen den schwarzen Stahlriesen steht auch eine rote Lok: die sowjetische “Ludmilla” der Baureihe 232. “Das ist eine dieselelektrische Lok mit 16-Zylinder-Motor und Stromgenerator – Hybrid gab es schon damals”, erklärt Forker. Sie ist das Lieblingsstück von Bernd Falz, der sich mit 50 Jahren seinen Jugendtraum erfüllte und den Lokführerschein machte – nur für die Ludmilla.
Die Ludmilla ist nicht nur ein Sammlerstück – sie fährt noch. Als Deutschland Panzer an die Ukraine liefern wollte und die E-Lok nur mit 40 Stundenkilometern vorankam, sprang eine Ludmilla ein. “Die hat sich vor die E-Lok gehängt und das Ding gleich mitgezogen”, erzählt Forker.
Der Schienen-Trabi: Kult auf Gleisen
Ein besonderes Stück der Sammlung ist der sogenannte Schienentrabi – ein Kontrollfahrzeug mit Trabi-Motor. Auf der historischen Muldentalbahn in Sachsen fahren diese Kultfahrzeuge noch heute für Touristen. Laut dem Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde sind nur noch neun Exemplare erhalten – eines davon in Falkenberg.
Bereits in den 1980er Jahren begann Falz, Lokomotiven der DDR-Reichsbahn zu kaufen. Nach der Wende erwarb er das Bahnbetriebswerk Oberer Güterbahnhof in Falkenberg. “Er lebt für sein Hobby”, sagt Forker, “wir erhalten Geschichte, ein Kulturgut.”
Große Aufgaben, wenige Hände
Dirk Collin vom Bundesverband Deutscher Eisenbahn-Freunde bestätigt: “Es ist überall das Gleiche – eine Handvoll Leute versucht, Berge zu versetzen.” Doch es fehle an Nachwuchs. In seinem Verein sind viele Mitglieder über 65. Auch Forker ist mit 44 Jahren der Jüngste im Team.
Restaurieren kostet – und zwar viel
Die Restaurierung einer Lok kostet laut Collin mit Fremdfirmen rund eine halbe Million Euro. Und selbst wenn sie fahrbereit ist, sind Genehmigungen und Schienennutzungsgebühren so hoch, dass sich das nur wenige Vereine leisten können. Auch deshalb stehen die Loks in Falkenberg still.

dpa