Frankfurts bekanntester Straßenbahnfahrer hat noch viel vor


Mit Bizeps und Kurzgedichten wurde Peter Wirth zum “Bahnbabo”. Bald wird er zum letzten Mal eine Straßenbahn durch Frankfurt steuern. Für die Zeit danach hat er schon viele Pläne.

Alle paar Minuten wird Peter Wirth angesprochen, wenn er sich in der Frankfurter Innenstadt aufhält. “Hey, Bahnbabo, alles stabil?”, ruft ihm lachend ein Fahrradfahrer entgegen. Kurz darauf will eine irische Familie mit ihm Fotos machen, sie seien gerade zu Besuch bei ihrem Sohn, berichten sie. Mit seinen Muskeln, der coolen Sonnenbrille und dem strahlenden Lächeln fällt Wirth – genannt “Bahnbabo” – auch einfach auf.

Der 62-Jährige ist Straßenbahnfahrer in Frankfurt. Den Spitznamen “Bahnbabo” haben ihm Jugendliche angeheftet. “Du bist voll massiv”, hätten sie beeindruckt von seinen sportlichen Fähigkeiten hinzugefügt, erinnert sich Wirth. “Babo” steht jugendsprachlich für “Boss”. Der durchtrainierte Wirth kann mühelos in den Spagat sinken, gern auch hochkant, außen an der Straßenbahn oder an einer Anzeigetafel entlang.

Mit jungen Leuten kommt er schnell ins Gespräch, er beherrscht ihre Sprache. “Bleib stabil, Brudi”, sagt er zu einem jungen Mann, der ihn ein wenig schüchtern anspricht. Kommunikation auf Augenhöhe ist ihm ein Herzensanliegen. Dies vermisse er oft in der Politik. “Es geht um eine Sprache, die die Menschen verstehen”, sagt Wirth.

Tausende Follower

Der Tramfahrer ist über die Stadtgrenze hinaus bekannt. In den sozialen Medien folgen ihm Tausende. Reaktionen kommen auch aus dem Ausland, berichtet er. Wirth nutzt seine Prominenz, um sich für gemeinnützige Anliegen einzusetzen – und ist etwa dabei, wenn gemeinsam Müll gesammelt oder für Demokratie und das Grundgesetz geworben wird. Er thematisiert auch die Arbeitsbedingungen in der Straßenbahn, fotografiert sich in verschwitztem Hemd und moniert so mangelnde Klimatisierung.

Bald ist allerdings mit dem Straßenbahnfahren Schluss, denn der “Bahnbabo” geht nach 36 Jahren in der Fahrerkabine Ende Oktober in Rente. Den Zeitpunkt seiner letzten Fahrt hat er beim Kurznachrichtendienst X bekanntgegeben.

Karitatives Engagement

Für die Zeit danach hat er schon viele Pläne, vor allem wolle er sein karitatives Engagement fortsetzen, sagt er. Unter anderem sammelt Wirth Spenden und erfüllt mit dem Verein Mainlichtblick Wünsche von beeinträchtigten Kindern. Da geht es auch um ganz alltägliche Dinge, etwa eine dringend benötigte Auflage fürs Bett. Als Kind habe er selbst nicht auf der Sonnenseite des Lebens gestanden, daher sei es ihm sehr wichtig, zu helfen, sagt der Straßenbahnfahrer, der mit seiner Frau in einer Einzimmerwohnung lebt.

Wirth hatte bei der letzten Oberbürgermeisterwahl kandidiert und gelangte mit einem Überraschungserfolg auf den vierten Platz. Ob er noch einmal versucht, “Bürgerbabo” zu werden, lässt der “Bahnbabo” offen. Die Frage stelle sich ja erst in einigen Jahren, sagt er.

Für seine Anliegen in der Verkehrspolitik will er sich jedenfalls weiter starkmachen. Der Individualverkehr müsse zurückgedrängt werden: “Öffentliche Verkehrsmittel müssen immer Vorrang haben. Es kann nicht sein, dass ich mit 60 Leuten an Bord warten muss, wenn sich Autos stauen”, sagt er.

Kurzgedichte in der Straßenbahn

Zu den Markenzeichen des “Bahnbabo” gehören auch selbsterdachte Kurzgedichte, die er über das Mikrofon in der Straßenbahn zum Besten gibt. Es gehe nicht nur um den Transport von Fahrgästen, sondern auch um deren Entertainment, erklärt er und dichtet: “Die Sonne tut uns allen gut, sie gibt uns Kraft und neuen Mut.”

Thema seiner Poesie ist auch der anstehende Ruhestand: “Mein Arbeitsleben neigt sich nun langsam seinem Ende und im Herbst geht der Bahnbabo in seine wohlverdiente Rente. Nach 36 Jahren und Millionen von Kilometern steigt er aus der Kabine aus und überlässt sie jüngeren Vertretern. Doch Ihr müsst nicht traurig sein, denn ich bin ein Kind dieser Stadt. Ihr werdet mich immer wieder sehen, entweder in der Politik oder in irgendeinem Nachrichtenblatt.”


LESEN SIE AUCH

dpa / EVN