BERLIN | Vertreter deutscher Sicherheitsbehörden und Innenminister mehrerer Bundesländer sehen seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Gefahr von Cyberattacken auf die Infrastruktur als deutlich gestiegen an.
“Kriege finden nicht mehr nur auf dem Schlachtfeld statt, sondern seit Langem auch im Netz”, sagte etwa Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) der Welt am Sonntag. Besonders gefährdet seien derzeit Firmen, die Standorte weltweit und somit auch in der Ukraine betrieben, sagte Reul.
Cyberangriffe auf Computernetzwerke dort könnten demnach auch zu “Kollateralschäden” bei Firmen hierzulande führen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: “Mit dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat sich die gesamte Sicherheitslage in Europa dramatisch verändert.” Bereits im Februar habe er deshalb die Behörden angewiesen, sich auf alle möglichen Szenarien – insbesondere im Bereich der Cyberabwehr sowie möglicher Attacken – vorzubereiten.
Der thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) sagte, es sei “naheliegend, dass kritische Infrastrukturen insbesondere in den Bereichen Energie- bzw. Wasserversorgung, Telekommunikation, Transport und Verkehr ein herausgehobenes Ziel der Cyberspionage und -sabotage von staatlichen oder in deren Interesse handelnden nicht-staatlichen Akteuren” seien. Es sei davon auszugehen, dass “durch die Verschärfung des Konfliktes insbesondere zwischen westlichen Staaten und Russland” ein gesteigerter Aufklärungsbedarf russischer Nachrichtendienste bestehe, der sich auch auf kritische Infrastrukturen mit Mitteln der Cyberspionage erstrecken werde. Ähnlich alarmiert sind die Verantwortlichen in den Landesämtern für Verfassungsschutz.
Auf eine der Welt am Sonntag-Abfrage bei diesen Behörden der Bundesländer antworteten fast alle der 16 Ämter: Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine schätzen sie die Bedrohung durch Cyberattacken auf kritische Infrastruktur noch einmal als höher ein als zuvor. Nach den Sabotageakten auf die Pipelines Nord-Stream 1 und 2 sowie am vergangenen Wochenende auf die Deutsche Bahn geht man auch beim Bundeskriminalamt (BKA) davon aus, die aktuelle Bedrohungslage für Infrastrukturanlagen sei “sehr ernst” zu nehmen. “Der Schutz der kritischen Infrastruktur hat höchste Priorität”, sagte ein Sprecher.