VDV und Allianz pro Schiene legen neue Reaktivierungsliste vor – mehr Tempo gefordert


BERLIN | Der Verband Deutscher Verkehrs­unternehmen und die Allianz pro Schiene fordern, stillgelegte Bahnstrecken schneller wieder ans Netz zu nehmen.

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Andernfalls werde die Verkehrswende nicht gelingen, erklärten die Verbände heute bei einer gemeinsamen Presse­konferenz in Berlin, bei der sie die 3. Auflage der VDV Broschüre mit einer aktualisierten und erweiterten bundesweiten Liste von zu reaktivierenden Schienen­strecken vorstellten. Sie forderten zudem, auch die Reaktivierung von Strecken­abschnitten für den Güterverkehr zu fördern und im Haushalt dafür ein eigenes Finanzierungs­programm aufzulegen. Die Präsentation fand am Vortag des VDV Reaktivierungs­kongresses in Berlin statt.

Insbesondere die Begeisterung für das 9-Euro-Ticket im Sommer hat gezeigt, dass Menschen vor allem in den gut erschlossenen Regionen stark vom ÖPNV profitieren können. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene: „Die Bereitschaft, die Schiene zu nutzen, ist da – und das Potenzial für mehr Schienen­verkehr enorm. Die Menschen erwarten mit Recht einen zügigen Ausbau – auch da, wo es heute keinen Anschluss an die Schiene gibt.“ Mit der Reaktivierung stillgelegter Bahn­strecken könne man in der Fläche den Rückzug der vergangenen Jahrzehnte korrigieren und umdrehen. Martin Henke, VDV-Geschäftsführer Eisenbahn, verwies darauf, dass man erst am Anfang stehe: „Seit der Erstauflage der VDV-Reaktivierungsliste und der enormen öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit, die das Thema erregt, haben sich die Rahmen­bedingungen für ein Wiederbeleben von Strecken deutlich verbessert. Immerhin vier Strecken mit 66 km Länge konnten bislang reaktiviert werden. Doch von den 277 Strecken mit insgesamt 4.573 Kilometern Länge sind zwischenzeitlich 40 weitere bzw. 557 Kilometer hinzugekommen. In praktisch allen Regionen Deutschlands gibt es Reaktivierungs­potenzial.“

In der VDV-Broschüre werden 332 Städte und Gemeinden gelistet, die durch die vorgeschlagenen Reaktivie­rungen wieder Anschluss an das Bahnnetz erhalten könnten. Insgesamt 3,4 Millionen Einwohner sind betroffen. Die Verbände erkennen an, dass der Bund die Finanzierungsmöglichkeiten für Reaktivie­rungen deutlich verbessert hat und begrüßen die attraktiveren Rahmenbedingungen. Henke: „Der Bund hat bei der GVFG-Novellierung in der letzten Legislatur­periode einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Reaktivierungs­projekten im Land neuen Schwung zu verleihen und er fördert diese mit 90 Prozent der Kosten. Auch die modernisierte Ermittlung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Standardisierten Bewertung zum 1. Juli 2022 erleichtert Reaktivierungen.“

Allerdings gibt es immer noch großen Handlungs­bedarf. Nun müsse dringend auch der Güterverkehr stärker in die Reaktivierung des Strecken­netzes einbezogen werden – mit eigenem Budget. „Für die Reaktivierung reiner Güterstrecken, die Fabriken über dezentrale Güterverkehrs­zentren und Speditions­terminals bis hin zu dringend benötigten Ladestraßen in der Fläche anschließen, gibt es bislang keinen eigenen Haushalts­titel beim Bund, der auch entsprechend ausgestattet ist und über alle Bahnen, unabhängig vom Infrastruktur­unternehmen, angelegt ist“, so Henke. Flege forderte zudem, dass die Entwidmung stillgelegter Eisenbahn­trassen – etwa um diese zu überbauen – gestoppt werden muss: „Wir müssen diese ungenutzten Trassen unbedingt sichern für künftige Reaktivie­rungen. Wenn auch nur punktuell ein Streckenabschnitt verbaut wird, dann ist der Verkehrsweg zerschnitten und die Chance auf eine Reaktivierung verloren. Wir brauchen dringend ein Moratorium bei der Entwidmung von Schiene­nstrecken.“


PM / EVN | Foto: EVN

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