Mit dem heutigen Tag weiht die Deutschen Bahn das erste Teilstück der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke VDE 8, auf dem Abschnitt von Erfurt nach Leipzig/Halle, offiziell ein. Erstmals kommt hier auf einer deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecke das neue europäische Zugsicherungssystem ETCS in der Ausbaustufe Level 2 zum Einsatz – bei dem auf eine herkömmliche Streckensignalisierung komplett verzichtet wird.
ETCS erstmals in Deutschland
Die Zukunft des Bahnverkehrs heißt ETCS. Das European Train Control System ist ein europäisches Zugsicherungssystem, das den transeuropäischen Schienenverkehr auf den europäischen Eisenbahnkorridoren über die Landesgrenzen der einzelnen Staaten hinaus miteinander verbinden soll. Bei der nun in Betrieb gehenden Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Erfurt und Leipzig bzw. Halle, die ein Teil des Verkehrsprojekts VDE 8 ist, wird anders als bisher auf herkömmliche Haupt- und Vorsignale entlang der Strecke verzichtet. Mit dem Einsatz von ETCS in der Ausbaustufe Level 2 ohne Signale (L2oS) beginnt ein neues Zeitalter für Zugsicherungssysteme und moderne Hochgeschwindigkeitsstrecken. Statt durch eine sonst übliche Streckensignalisierung erhält der Triebfahrzeugführer alle notwendigen Informationen (Sollgeschwindigkeit, Zielgeschwindigkeit und Zielentfernung) – ähnlich wie beim Linienzugbeeinflussungssystem (LZB) – über grafische Anzeigen auf einem Führerraumdisplay. Der Datenaustausch zwischen dem Stellwerk und den auf der Strecke verkehrenden Zügen erfolgt funkbasiert über das bahneigene Mobilfunknetz GSM-R. Gesteuert wird der Zugverkehr auf der neuen Strecke mithilfe Elektronischer Stellwerkstechnik (ESTW) aus der Betriebszentrale (BZ) der DB Netz AG in Leipzig.
Projekt VDE 8
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands beschloss die Bundesregierung 1991 die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8) ist ein 10 Milliarden Euro schweres Bauvorhaben. Es ist das größte Schienenverkehrsprojekt dieser Art. Die dazugehörigen Neu- und Ausbaustrecken, die die Städte Nürnberg mit Erfurt über Leipzig/Halle bis Berlin verbinden, haben eine Gesamtlänge von mehr als 500 km. Finanziert wird das Bauprojekt vom Bund, der Europäischen Union und der Deutschen Bahn. Die VDE 8 ist ein Teil der neuen, östlich verlaufenden transeuropäischen Nord-Süd-Achse von Skandinavien nach Norditalien. Planungsbeginn für das Projekt war 1992. Die geplante Fertigstellung der gesamten Verbindung soll 2017 erfolgen. Die Fahrzeit zwischen München und Berlin soll sich dann auf unter vier Stunden verkürzen.
Die VDE 8 besteht aus mehreren Projektabschnitten:
- VDE 8.1: die Aus- und Neubaustrecke Nürnberg – Erfurt, die ab 2017 in Betrieb gehen soll
- VDE 8.2: die Neubaustrecke Erfurt – Leipzig/Halle, die mit dem heutigen Tag offiziell eingeweiht wird
- VDE 8.3: die Ausbaustrecke Leipzig/Halle – Berlin
- die Bahnknoten Erfurt, Leipzig und Halle
Die Neubaustrecke (NBS) Erfurt – Leipzig/Halle (VDE 8.2) ist als zweigleisige, elektrifizierte Hochgeschwindigkeitsstrecke für eine Geschwindigkeit von bis zu 300 km/h konzipiert. Sie kann sowohl von Fernverkehrszügen wie dem ICE als auch von Güterzügen befahren werden, sofern die Fahrzeuge über die erforderliche ETCS-Ausrüstung verfügen. Die 123 Kilometer lange Teilstrecke verfügt über 3 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 15,4 km und 6 Brückenbauwerken mit einer Länge von insgesamt 14,4 km. Darüber hinaus wurden hier 4 Überholbahnhöfe eingerichtet, die das Ausweichen und Überholen langsamerer Güterzüge durch schnellere Personenzüge ermöglichen.
Film zum Projekt VDE 8.2
Mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember soll der Fahrgastbetrieb für Bahnkunden aufgenommen werden. Die Reisezeit von Erfurt nach Leipzig beträgt dann nur noch 44 Minuten bzw. nach Halle (Saale) 34 Minuten. Zu Beginn der Betriebsaufnahme wird es auf der Strecke noch relativ ruhig zugehen. Rund 60 bis 70 Personenzüge werden dort zunächst verkehren. Güterzüge mit Loks, die über eine entsprechende ETCS-Ausrüstung verfügen, sollen erst ab 2017 auf die Strecke kommen.
Feste Fahrbahn
Für den Oberbau der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke wird eine Feste Fahrbahn des Systems ÖBB-Porr verwendet. Aufgrund der hohen Belastungen bei Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h ist der klassische Oberbau aus Schienen, Schwellen und Schotter nicht mehr ausreichend um eine sichere Spurführung zu gewährleisten. Zudem würde der Windsog des fahrenden Zuges einen Schotterflug auslösen, der den Schotter an das Fahrzeug heranziehen und wichtige Komponenten oder die Drehgestelle des Fahrzeugs beschädigen könnte.
Mitte dieses Jahres kam jedoch ein Problem auf: Da für die hier verwendete Gleiskonstruktion der festen Betonfahrbahn auf Brücken in Deutschland bislang keine Zulassung vorlag, verweigerte auch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) vorerst eine generelle Genehmigung zur kommerziellen Inbetriebnahme der Strecke. Zusätzlich nachgerüstete Betonklötze zwischen den Gleisen sowie links und rechts des Fahrbahnrands sollen nun eine langfristige Stabilität gewährleisten. Gutachter der unabhängigen Prüfstelle hatten kürzlich bereits grünes Licht gegeben. Mit der heutigen Einweihung hat nun auch das EBA die offizielle Zulassung erteilt. Damit steht dem Betriebsstart zum Fahrplanwechsel am kommenden Sonntag nichts mehr im Wege.
Feierliche Eröffnung
Zur feierlichen Eröffnung der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke versammelt sich heute die Politprominenz aus Bund und Ländern. Neben Bodo Ramelow und Reiner Haseloff, den Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen-Anhalt, Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erscheinen.