In Kornwestheim, rund 10 Kilometer nördlich von Stuttgart, befindet sich ein faszinierender Ort für wohl jeden Eisenbahnfreund und Eisenbahnromantiker. Denn das dortige Lehrstellwerk bietet jede Menge Eisenbahngeschichte – nicht nur zum Anschauen, sondern vor allem auch zum Erleben. Es ist ein Ort, der wohl jedes Eisenbahnerherz im wahrsten Sinne höher schlagen lässt.
Wäre es in den Gründungsjahren der Deutschen Bahn AG vor rund 22 Jahren nach dem Willen der damaligen DB-Verantwortlichen gegangen, würde das Lehrstellwerk Kornwestheim, das 1934 erbaut und 1962 erweitert wurde, heute wohl nicht mehr existieren. Nur wenigen sehr engagierten Eisenbahnern ist es daher zu verdanken, dass trotz dem Bau moderner Stellwerksysteme und der Weiterentwicklung in der Leit- und Sicherungstechnik die Ursprünge des Eisenbahnbetriebs nicht komplett verloren gegangen sind.
Bis auf einige noch tatsächlich in Betrieb befindliche mechanische und elektromechanische Stellwerke, sind die hier gezeigten Stellwerksbauformen immer seltener noch irgendwo im Streckennetz der heutigen DB zu finden. Zu den Highlights gehören dabei auch spezielle Länderbauformen. Eines der ältesten stammt hier aus dem Jahre 1896 und ermöglicht das Erleben echter Eisenbahngeschichte, die bis zu 120 Jahre aus heutiger Sicht zurück reicht.
Nach der Rettung der Stellwerksanlage und späteren Übernahme durch die Stadt Kornwestheim im Jahr 2002 sowie der Gründung des Fördervereins, wurde das Lehrstellwerk umfassend restauriert und wieder fit gemacht. Wie der Vereinsvorsitzende Hans-Peter Hurth verriet, ist nun auch die Deutsche Bahn, nachdem sie sich Anfang der 90er Jahre zurückgezogen hatte, wieder interessiert und bildet vor Ort seit 2013 auch wieder selbst aus.
Neben der Aus- und Fortbildung von richtigen Fahrdienstleitern hat hier seit mittlerweile zwei Jahren auch jeder Nicht-Fahrdienstleiter und interessierte Hobbyeisenbahner die spannende Möglichkeit, die Eisenbahnwelt hautnah kennenzulernen. Aber auch Lokführer und andere Eisenbahner verschiedenster Verkehrsunternehmen waren dieses Jahr dabei.
Hans-Peter Hurth, der Vorsitzende des Fördervereins Lehrstellwerk Kornwestheim, zeigte sich zufrieden mit dem regen Interesse der Teilnehmer an der Ausbildung zum Hobby-Fahrdienstleiter.
„Wir haben gemerkt, dass der Markt dafür da ist“, so Hans-Peter Hurth zu Beginn der Veranstaltung. „Es war immer schon unser Traum, als wir damals den Förderverein gegründet haben, auch den Hobby-Fahrdienstleiter anzubieten“, ergänzte Hurth später.
Wie der Vereinsvorsitzende sagte, ist das Lehrstellwerk hier in vieler Hinsicht etwas ganz Besonderes. „Kornwestheim ist in dieser Sache einzigartig, was Lehrstellwerke betrifft. Wir haben Anlagen, die früher überall eingebaut wurden und eine alte Anlage, die aus dem 19. Jahrhundert stammt.“
Aber auch für Bettina Hurth, Tochter des Vereinsvorsitzenden und selbst Fahrdienstleiterin bei der DB Netz AG, ist die Alttechnik bis heute faszinierend. „Dass es damals schon so funktioniert hat, ist natürlich beeindruckend“, so Bettina Hurth.
Auch wenn die Technik in einem Spurplandrucktastenstellwerk oder ESTW (Elektronischen Stellwerk) heute sehr vieles erleichtert, so erlernt man hier an den alten Stellwerkstypen die Grundfunktionen und einzelnen Bedienschritte zur Absicherung von Zugfahrten viel anschaulicher. Und die Sicherungslogik ist damals wie heute im Grunde dieselbe.
Ein Fahrdienstleiter „muss hier noch genau schauen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit beispielsweise ein Signal auf Fahrt kommt. Welche Schritte muss ich einhalten, das ist eigentlich das Faszinierende“, verrät die junge Fahrdienstleiterin.
Denn in den modernen Stellwerken von heute passiert vieles teilweise oder in einigen Fällen auch nahezu komplett automatisch. Selbst bei den Vorgängerstellwerken des heutigen ESTW ist das Einstellen einer Fahrstraße im Regelbetrieb durch die Eingabe von Start- und Zielsignal im Vergleich zur Bedienung der Alttechnik eher ein Kinderspiel.
Aber mit der Alttechnik im Lehrstellwerk soll es nicht getan sein: Wie Hans-Peter Hurth verriet, wolle man neben den unterschiedlichen mechanischen Stellwerken, einem elektromechanischen Stellwerk vom Typ E43 und einem Spurplandrucktastenstellwerk in Zukunft irgendwann auch ein ESTW integrieren. „Einer unserer Sponsoren ist Thales. Und von hier wurde uns bereits signalisiert, dass wir auch ein Elektronisches Stellwerk bekommen“, so Hurth.
Neben dem Erlernen der einzelnen Bedienungsschritte an den unterschiedlichsten Stellwerksbauformen, wurden den Kursteilnehmern aber auch jede Menge Grundlagen beigebracht. Denn sie sollten zum Ende des Kurses nicht nur ein mechanisches oder elektromechanisches Stellwerk einigermaßen bedienen können, sondern wissen, wie eine Weiche funktioniert, wie Fahrpläne zu lesen sind, wie das Zugmeldeverfahren durchgeführt wird, welche Signale es für Zug- und Rangierfahrten gibt und wie Zugstraßen durch Flankenschutzeinrichtungen gesichert werden.
Interesse an einer Teilnahme?
Wer Interesse hat, an diesem Kurs teilzunehmen, kann sich bereits jetzt für den Termin im kommenden Jahr anmelden. Wie Vereinsvorstand Hurth sagte, seien bereits die ersten Teilnehmerplätze für das kommende Jahr belegt. Und der Förderverein konnte bereits gestern am letzten Tag der Veranstaltung einige neue Mitglieder verzeichnen.
Eines muss man sagen, man kann nur höchsten Respekt vor der ehrenamtlichen Arbeit aller beteiligten Vereinsmitglieder und des Vereinsvorstandes haben. Es ist wahrlich ein Erlebnis für Jeden, der nicht nur gerne Züge fotografiert, sondern auch mehr darüber erfahren will, wie der Eisenbahnbetrieb hinter den Kulissen aussieht und genau funktioniert.
Weitere Informationen und Termine erhalten Sie auf der Internetseite des Lehrstellwerks Kornwestheim.
(red)