Drei Umweltkatastrophen mit massiven Zerstörungen haben das Geschäftsjahr 2024 des Zugherstellers Stadler geprägt. Bei den Zahlen schaut das Unternehmen dennoch optimistisch in die Zukunft.
Stadler informiert
2024 kam es zu folgenschweren Überschwemmungen im Wallis (Schweiz), in Dürnrohr (Österreich) und insbesondere in Valencia (Spanien) – diese führten zu massiven Verzögerungen und Unterbrechungen in der Produktion und Beeinträchtigungen der Lieferketten. Rund 350 Millionen Franken Umsatz mussten deshalb vom Geschäftsjahr 2024 ins Jahr 2025 und 2026 verschoben werden. Infolge dieser Umweltkatastrophen reduzierte sich die EBIT-Marge auf 3,1 Prozent – 2 Prozentpunkte tiefer als im Vorjahr. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen konnte Stadler strategisch wichtige Aufträge gewinnen und den Auftragsbestand auf 29,2 Milliarden Franken erhöhen. Aktuell arbeitet Stadler an 360 laufenden Aufträgen und hat im letzten Jahr rund 500 verschiedene Schienenfahrzeuge ausgeliefert.
Dank des hohen Auftragseingangs von 6,4 Milliarden Franken steigt der Auftragsbestand von Stadler zum Jahresende 2024 auf 29,2 Milliarden Franken (2023: CHF 24,4 Milliarden). Group CEO Markus Bernsteiner: “Stadler agiert weiterhin sehr erfolgreich und gewinnt viele Aufträge. Die Auftragslage hat sich 2024 erneut äusserst erfreulich entwickelt.”
Der Umsatz liegt mit 3,3 Milliarden Franken rund 10 Prozent unter dem Vorjahr (2023: CHF 3,6 Milliarden). Hauptgrund sind die Folgen der Umweltkatastrophen in Valencia (ES) und dem Wallis (CH) und daraus resultierenden Lieferverzögerungen. Rund 350 Millionen Franken Umsatz musste von 2024 ins Geschäftsjahr 2025 und ins Jahr 2026 geschoben werden.
Schwere Folgen von drei Umweltkatastrophen
Ende Juni 2024 flutete ein Unwetter die Rhone-Ebene und das Werk des strategischen Zulieferers Constellium im Wallis. Von 1200 Tonnen von Stadler eingelagerten Aluminium-Profilen mussten 850 Tonnen entsorgt werden. Stadler hat sofort Gegenmassnahmen ergriffen und einen Teil der Produktion ins Constellium-Schwesterwerk im deutschen Singen verlegt. Seit Anfang Februar 2025 läuft die Produktion der Aluminiumprofile im Wallis wieder auf voller Kapazität. Constellium sollte den Rückstand bis August 2025 aufgeholt haben.
Im September 2024 brach ein Damm in Dürnrohr (Niederösterreich) und überschwemmte das Stadler Inbetriebsetzungszentrum für die neuen ÖBB-Doppelstockzüge KISS. Ein neuer Zug wurde zerstört.
Ende Oktober 2024 ereignete sich in Spanien bei Valencia eine Umweltkatastrophe von historischem Ausmass mit über 220 Toten. Glücklicherweise blieben alle 3200 Stadler-Mitarbeitende gesundheitlich unversehrt. Auch das Werk von Stadler blieb weitgehend unbeschädigt. Mehrere Aussenlager wurden jedoch schwer in Mitleidenschaft gezogen, in denen Stadler Valencia Dieselmotoren und Drehgestelle lagerte. Da zahlreiche Strassen zerstört wurden, konnten zu Beginn rund 400 Mitarbeitende das Werk nicht mehr erreichen. Schwer getroffen wurden rund 40 Zulieferer, deren Produktions- und Lagerhallen zerstört oder massiv mit Schlamm überflutet worden sind. Es fehlten notwendige Komponenten für die Fertigung der Züge und neue Lieferketten mussten und müssen weiterhin aufgebaut werden. Insgesamt mussten 200.000 Produktionsstunden von 2024 ins Jahr 2025 und 2026 verschoben werden.
Die Umweltkatastrophe hat zur Folge, dass es bei rund 50 Aufträgen zu einer Lieferverzögerung kommt, zwischen einem und fünf Monaten. Je nach Auftrag und zeitlichen Reserven hat dies nicht zwingend Auswirkung auf die geplante Inbetriebnahme der Fahrzeuge und damit auf Kunden und Fahrgäste. Um die Verzögerungen so gering wie möglich zu halten, hat Stadler Valencia sofort ein Aufholprogramm gestartet und setzt dieses konsequent um.
Stadler Deutschland: Effizienzprogramm für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit
Die schwache wirtschaftspolitische Entwicklung in Deutschland stellt auch die Stadler-Werke in Berlin-Brandenburg unter erheblichen Druck. Stadler Deutschland leidet nach wie vor unter den gravierenden Folgen des Zusammenbruchs der Lieferketten infolge der Covid-Pandemie, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den daraus resultierenden Preissteigerungen für Energie und Rohmaterial. Die daraus folgende Inflation hat zu höheren Gehältern geführt.
Stadler hat 2019 mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) eine internationale Ausschreibung gewonnen, worauf Mitbewerber Alstom Rekurs eingelegt hat. Dieser Einspruch verschob die Unterzeichnung des Rahmenvertrages um über ein Jahr. Nach der Unterschrift des Rahmenvertrages im Frühjahr 2020 brach die Covid-Pandemie aus und unterbrach zeitweise die Abwicklung des Auftrages. Inzwischen behobene Software-Probleme haben die Lieferung zusätzlich verzögert. Zudem wurden bisher erst 484 der 1.500 Wagen für die U-Bahn Berlin bestellt. Obwohl die Werke in Berlin-Brandenburg gut ausgelastet sind, wirken sich oben genannte Faktoren auch auf das Konzernergebnis aus.
Um die Wettbewerbsfähigkeit und die Standorte von Stadler Deutschland langfristig zu sichern, setzt Stadler ein umfassendes Struktur- und Effizienzprogramm um. Mit den Sozialpartnern wird aktuell über einen Arbeitnehmerbeitrag verhandelt.

3,1 Prozent EBIT trotz Umweltkatastrophen
Vor dem Hintergrund der Folgen der Naturkatastrophen sowie inzwischen gelösten Software-Problemen beim Auftrag der U-Bahn Berlin von Stadler Deutschland, erreichte das EBIT im Geschäftsjahr 2024 100,5 Millionen Franken (Vorjahr: CHF 183,3 Millionen) bei einer EBIT-Marge von 3,1 Prozent (Vorjahr: 5,1 Prozent). Angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen ist dieses Ergebnis als gut einzuordnen. Auf Stufe Konzernergebnis verbuchte Stadler im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 55,0 Millionen Franken gegenüber 138,6 Millionen Franken in der Vorjahresperiode. Dank einem starken zweiten Halbjahr erreicht der Free Cashflow für das Gesamtjahr 140,1 Millionen Franken nach -384,7 Millionen Franken im ersten Halbjahr bzw. 749,1 Millionen Franken in der Vorjahresperiode. Die Investitionen (Capital Expeditures) liegen mit 232,9 Millionen Franken im Rahmen der Erwartungen und widerspiegeln die gute Auftragslage (Vorjahr CHF 244,3 Millionen).
Starkes Wachstum im Bereich “Signalling”
Das Berichtssegment “Signalling” verzeichnete im vergangenen Geschäftsjahr erneut ein starkes Wachstum. Der Auftragseingang steigt auf 520,1 Millionen Franken gegenüber 56,0 Millionen Franken in der Vorjahresperiode. Dieser starke Anstieg ist insbesondere auf den Grossauftrag über 500 Millionen US-Dollar für ein Zugbeeinflussungssystem (CBTC) der Metro in Atlanta (USA) zurückzuführen. Dieser Auftrag ist gleichbedeutend mit dem internationalen Durchbruch im grossen amerikanischen Markt, im zukunftsträchtigen Bereich Signalling.
Bedeutende Markterfolge in zahlreichen Weltregionen
Stadler konnte 2024 erneut in allen Produktsegmenten und in verschiedenen Weltregionen bedeutende Markterfolge erzielen und zahlreiche Aufträge gewinnen. Eine Auswahl:
• Saudi-Arabien: Stadler erhielt den Zuschlag für die Lieferung von 10 Intercity-Zügen der nächsten Generation und schafft damit den Markteintritt in Saudi-Arabien.
• Polen: Im Juni bestellte Koleje Mazowieckie bis zu 50 FLIRT-Zügen und in einem zweiten Schritt noch einmal 15 weitere Einheiten.
• Lokomotiven: Stadler erhielt im September einen bedeutenden Auftrag von SBB Cargo, über die Lieferung von bis zu 129 Bo’Bo’-Mehrsystemlokomotiven. Diese Lokomotiven sind neben Dieselmotoren mit zwei Traktionsbatteriemodulen ausgestattet.
• USA: Im Oktober erhielt Stadler den ersten Stadtbahnauftrag in den USA. Der Vertrag umfasst die Lieferung von bis zu 80 Citylink-Strassenbahnen für Salt Lake City.
• Frankreich: Im Oktober bestellte die Betreiberin der Pariser Metro zwölf batterieelektrische Lokomotiven für Wartung und Ausbau des Pariser U-Bahn-Netzes.
Stadler: Marktführer bei alternativen Antrieben
Stadler hat 2024 seine weltweit führende Position im Bereich der alternativen Antriebstechnologien wie Batterie- und Wasserstoffzüge weiter gestärkt. Allein in Europa stammen 50 Prozent aller Schienenfahrzeuge mit alternativen Antrieben von Stadler. Bis Ende 2024 wurden 280 Züge mit alternativem Antrieb verkauft, viele davon stehen bereits erfolgreich im Einsatz. Ein weiterer internationaler Bestseller sind die leichten und energiesparenden Flirt-Züge. Gut 20 Jahre nach dem ersten Auftrag hat Stadler 2.750 Flirt-Züge verkauft – Stand Ende 2024.
Verjüngung im Verwaltungsrat
2024 hat die Generalversammlung mit Danijela Karelse und Niko Warbanoff zwei neue Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt und den Generationenwechsel im Verwaltungsrat eingeläutet. Barbara Egger-Jenzer und Kurt Rüegg haben sich entschieden, sich nicht mehr für eine erneute Wahl zur Verfügung zu stellen.
Kurt Rüegg, der seit 2002 und damit mehr als 20 Jahre im Verwaltungsrat tätig ist, hat in dieser Zeit massgeblich zur Entwicklung, zur strategischen Ausrichtung und damit zum Erfolg von Stadler beigetragen. Sein umfangreiches Wissen und seine Erfahrung im Bereich Betriebsökonomie und Unternehmensfinanzierung waren von grossem Wert.
Barbara Egger-Jenzer, die seit 2019 im Verwaltungsrat tätig ist, hat mit ihrer Expertise in Rechtswissenschaften und ihrer Erfahrung als ehemalige Regierungsrätin des Kantons Bern und ihr profundes Wissen zum öffentlichen Verkehr ebenfalls entscheidend zur Entwicklung des Unternehmens beigetragen.
Verwaltungsratspräsident Peter Spuhler: “Ich danke Barbara Egger-Jenzer und Kurt Rüegg ganz herzlich für ihr langjähriges Engagement. Sie haben entscheidend zur Entwicklung und dem Erfolg von Stadler beigetragen. Ich wünsche ihnen für die Zukunft viel Freude und Erfolg.»”
Produktionsleistung wird massiv ansteigen
Der hohe Auftragseingang bei Stadler führt dazu, dass die Produktionsleistung in den kommenden Jahren massiv ansteigen wird. Im Gegensatz zu den Mitbewerbern wendet Stadler im Segment “Rolling Stock” die konservative Rechnungslegung nach “units-of-delivery” an. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge grundsätzlich fertiggestellt und durch die Kunden abgenommen werden müssen, um den entsprechenden Umsatz und das Ergebnis zu realisieren. Dieser konservative Ansatz hat zur Folge, dass zwischen Vertragsunterzeichnung und der Umsatz- und Ergebnisrealisierung vier bis zu zehn Jahre liegen können.
Die bestehenden Herausforderungen, mit den massiven Folgen der Naturkatastrophen, erlauben es Stadler aktuell nicht, einen detaillierten Ausblick zum laufenden Geschäftsjahr 2025 zu kommunizieren. Unter der Annahme stabiler Lieferketten und dem getroffenen Massnahmenpaket, erwartet Stadler aufgrund der guten Auftragslage für 2025 aus heutiger Sicht einen Anstieg der Umsätze und der EBIT-Marge auf zwischen 4 und 5 Prozent.
Starkes Umsatzwachstum auf über 5 Milliarden Franken erwartet bis 2026
Aktuell arbeitet Stadler an 360 Aufträgen und hat im letzten Jahr rund 500 verschiedene Schienenfahrzeuge ausgeliefert. Aufgrund dieser guten Auftragslage und dem daraus folgenden Anstieg der Produktionsleistung erwartet Stadler bis in das Jahr 2026 ein starkes Umsatzwachstum auf ein Niveau von deutlich über 5 Milliarden Franken. Greifen die von Konzernleitung und Verwaltungsrat beschlossenen und konsequent angegangenen Massnahmen, erwartet Stadler mittel- bis langfristig einen Anstieg der EBIT-Marge auf 6 bis 8 Prozent.
Der Verwaltungsrat beabsichtigt zuhanden der Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2024 eine Dividende von 20 Millionen Franken (CHF 0,20 pro Aktie) zu beantragen – gegenüber 90 Millionen Franken (CHF 0,90 pro Aktie) im Vorjahr.

EVN (redaktionell bearbeitet / Quelle: Stadler)