STUTTGART | Sie stehlen Dachrinnen und Zäune, auch vor Grabkreuzen machen sie nicht halt – doch besondere Probleme bereiten Metalldiebe der Bahn. Jetzt legten sie die Strecke von Frankfurt nach Stuttgart lahm.
Sie kamen in den dunklen Abendstunden und sie suchten sich einen Streckenabschnitt, der schon einmal in den Schlagzeilen stand: Metalldiebe haben zwischen Mannheim und dem südhessischen Lampertheim erneut Hunderte Meter Kabel gestohlen und damit die wichtige Verbindung von Frankfurt nach Stuttgart für viele Stunden lahmgelegt. Dort waren auch schon kurz vor Weihnachten Diebe auf Beutezug gegangen und hatten mehrere Kilometer Kupferkabel in einem Kabelschacht zerschnitten sowie Hunderte Meter Kabel gestohlen, die für die Leit- und Sicherungstechnik der DB wichtig waren – mit tagelangen Folgen auf den Gleisen.
Nach Polizeiangaben durchtrennten die Unbekannten am Sonntagabend Kupferkabel auf einer Länge von insgesamt 300 Metern. Bundespolizisten und Techniker der Deutschen Bahn eilten vor Ort und fanden mehrere zum Abtransport bereit gelegte Kupferkabel aus einem Kabelschacht, wie es weiter hieß. “Nach derzeitigem Ermittlungsstand muss davon ausgegangen werden, dass mehrere Personen an der Tat beteiligt waren”, teilte die Polizei zudem mit. Es werde wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, des besonders schweren Falls des Diebstahls und der Sachbeschädigung ermittelt.
Die Bahn rechnet mit Auswirkungen auf den Schienenverkehr bis Dienstagabend. Am Montag gab es bereits Ausfälle und Verspätungen. “Zwischen Frankfurt und Mannheim verkehren rund vier Fünftel des üblichen Angebots im Fernverkehr”, sagte eine Bahnsprecherin. “Eine Verspätung von etwa 20 Minuten ist zu erwarten.”
Die Fälle sind alles andere als Einzelfälle: Metalldiebe setzten der Bahn auch im vergangenen Jahr zu und schlugen insgesamt 450 Mal zu. Das war nach Bahn-Angaben ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Das hat stets auch deutliche Folgen für Bahnreisende: Nach Bahn-Angaben waren im vergangenen Jahr etwa 3200 Züge der Bahn und anderer Unternehmen um insgesamt rund 40 000 Minuten verspätet.
Im langjährigen Vergleich seien die Fallzahlen aber stark um etwa 90 Prozent zurückgegangen, sagte ein Bahnsprecher der Deutschen Presse-Agentur. Im Jahr 2013 habe es noch 3200 Fälle gegeben.
Die Bahn habe zwar viel verändert. “Wo es möglich ist, werden alternative Materialien eingesetzt, bestehende Anlagen und Baustellen werden technisch geschützt und besser bewacht”, sagte der Sprecher. Die Bahn arbeite auch eng mit der Bundespolizei zusammen. Regelmäßig würden Metalldiebe auf frischer Tat gestellt. Eine flächendeckende und lückenlose Überwachung des rund 34.000 Kilometer langen Streckennetzes sei aber nicht umsetzbar.
Von den Diebstählen gehe aber auch keine Gefahr für Reisende aus, betonte der Sprecher. Das “Fail Safe”-System sorge dafür, dass Züge zum Stehen kommen. “Fail Safe” bedeutet, dass das System in einen stabilen, sicheren Zustand, etwa zum Halt, gebracht werden kann.
Die Bahn warnte vor den Folgeschäden von Metalldiebstahl. “Ist die Leit- und Sicherungstechnik gestört, fallen Züge aus oder kommen verspätet ans Ziel, sind Baustellen vom Diebstahl betroffen, verzögert sich die Fertigstellung”, sagte der Bahnsprecher der dpa. Im vergangenen Jahr sei durch den Diebstahl von Buntmetall ein materieller Schaden von bundesweit rund 7 Millionen Euro entstanden.
Der Kupferpreis liegt derzeit bei rund 7500 Euro pro Tonne. Diebe haben oft leichtes Spiel, ihre Beute ist nur schwer zu identifizieren. Nach Angaben des Bundes Deutscher Kriminalbeamter gibt es spontane Einzeltäter, die die Beute in kleineren Mengen an ihnen vertraute Schrotthändler verkaufen. Schrottplätze zahlten derzeit fünf Euro pro Kilo, das entspricht 5000 Euro pro Tonne, sagte der Bundesvorsitzende Dirk Peglow der dpa. Bahn und Polizei bauten ihre Sicherheitspartnerschaften mit Schrotthändlern zwar aus, es gebe aber auch Lücken.
Eine zweite Tätergruppierung seien die gut organisierten Banden. Allerdings gebe es da bislang nur wenige Ermittlungserkenntnisse, sagte Peglow. Die Banden hätten eine “entsprechende Logistik, wenn es um größere Mengen geht”. Als Absatzmarkt könne vor allem Osteuropa infrage kommen.
dpa