BERLIN | Die langfristige Verkehrsprognose des Bundes für den Güterverkehr auf der Straße und auf der Schiene ist aus Sicht mehrerer Bahn- und Verkehrsverbände “zu straßenfixiert” und “realitätsfern”.
“Niemand kann sich vorstellen, dass der Güterverkehr auf der Straße bis 2051 noch einmal um die Hälfte des heutigen Niveaus wächst”, sagte der Geschäftsführer des Verbands Die Güterbahnen, Peter Westenberger, am Mittwoch in Berlin. Das werde schon allein am gravierenden Mangel an Lastwagenfahrern scheitern.
Der Bund hatte die Langfristprognose für den Verkehr in Deutschland Anfang März vorgestellt. Sie unterstellt für den Straßengüterverkehr ein Wachstum bis 2051 von rund 54 Prozent. Gütertransporte auf der Schiene sollen demnach im selben Zeitraum um lediglich rund ein Drittel zunehmen.
Die Verbände Allianz pro Schiene und Die Güterbahnen, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie der Verband der Güterwagenhalter in Deutschland halten die zugrundeliegenden Annahmen für unrealistisch. Insbesondere bei Mautsätzen und CO2-Preisen setze die Studie zu geringe Steigerungen beim Straßenverkehr voraus. Sie berücksichtige zudem nicht in ausreichendem Maße mögliche Effizienzsteigerungen auf der Schiene etwa durch die Digitalisierung.
Würde die Prognose eintreffen, dann würde der Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr nicht steigen, sondern bis 2051 sogar um einige Prozentpunkte sinken, hieß es. Die Bundesregierung will den Anteil bis 2030 von derzeit rund 19 auf dann 25 Prozent steigern. Die Prognose bedeute einen Abschied von diesem Ziel, sagte der Hauptgeschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege.
Er kritisierte, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) seine Verkehrspolitik nun zu stark an den Vorhersagen ausrichte. “Keiner seiner Vorgänger hatte es so eilig, mit seinen Prognosen Politik zu machen”, sagte Flege. Wissing hatte unter anderem den von ihm vorangetriebenen beschleunigten Autobahnausbau mit der Verkehrsprognose begründet. Schließlich bleibe der Lkw demnach auch langfristig das dominierende Verkehrsmittel.
Das Verkehrsministerium (BMDV) wies die Kritik der Verbände am Mittwoch als nicht nachvollziehbar zurück. “Bei den Verkehrsprognosen des Bundes handelt es sich jeweils um eine möglichst realistische Vorausschau auf einen langfristigen Zeithorizont”, teilte das BMDV mit. “Die Verkehrsprognosen des BMDV sollen dabei als Grundlage der Politikgestaltung dienen.” Die Kritik, Aspekte wie der Fahrermangel seien nicht berücksichtigt worden, treffe nicht zu. Dieser sei durchaus einbezogen worden.
dpa