GUBEN | Auf einer alten reaktivierten Bahnstrecke fahren wieder Regionalzüge zwischen der Lausitz und Polen. Die Inbetriebnahme soll nur eine erste Etappe sein auf dem Weg zu mehr Verbindungen.
20 Jahre fuhr auf dieser Strecke kein Personenzug: Nun wird die regionale grenzüberschreitende Verbindung RB 92 von Guben nach Zielona Góra Główna (Grünberg) ab diesen Sonntag wieder in Betrieb genommen. Nach Angaben des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) werden in einem ersten Schritt bis Dezember 2022 an den Wochenenden zwei beziehungsweise drei Züge fahren. Für die Zukunft streben Polen und Deutschland einen Ausbau der Verbindung an. Mittelfristig sollen dann täglich sechs bis acht Zugverbindungen angeboten werden. Das Vorhaben soll demnach nur eine Etappe sein. Langfristig sind den Angaben zufolge durchgehende Züge bis Cottbus vorgesehen. Ziel ist, mehr Städte ans Eisenbahnnetz anzuschließen. Aufgabenträger sind die polnische Wojewodschaft Lubuskie und das Land Brandenburg.
Die Stadt Guben (Spree-Neiße) werde von der Reaktivierung der Strecken profitieren, sagte Bürgermeister Fred Mahro der Deutschen Presse-Agentur. Über 1.000 Polen leben in der 16.000-Einwohner-Stadt. Es gibt kaum ein Unternehmen, das nicht mindestens einen polnischen Beschäftigten hat. “Wir sind hier jetzt so etwas wie ein Drehpunkt geworden für die Menschen, die aus Osteuropa nach Deutschland kommen und hier weiterfahren wollen”, sagte Mahro. Infrastrukturell sei das für die Stadt unwahrscheinlich wichtig – auch, weil die Menschen sich begegnen können. Allerdings werde die Tacktung erst ausgebaut werden. Die Ausschreibung der werktäglichen Benutzung der Strecke laufe.
Bislang gibt es im Regionalverkehr unter anderem Züge von Berlin nach Szczecin (Stettin), von Frankfurt (Oder) über Rzepin (Reppen) nach Zielona Góra (Grünberg) sowie von Forst über Zagan nach Wrocław (Breslau).
Die Strecke sei auch zur Elektrifizierung vorgesehen, teilte Ingo Koschenz, Osteuropa-Referent beim Fahrgastverband Pro Bahn auf Anfrage mit. Insbesondere die polnische Seite treibe das im Rahmen ihres Bahn-Infrastrukturprogrammes “kolej+” voran. Auf deutscher Seite ist ihm zufolge die Finanzierung der Elektrifizierung mit Mitteln für den Strukturwandel in der Lausitz vorgesehen. “Da der deutsche Abschnitt lediglich zwei Kilometer lang ist, sind die Kosten sehr überschaubar” führte Koschenz aus.
Der Experte nannte noch andere Vorteile einer Elektrifizierung. Das würde den Einsatz von Fernzügen erleichtern, da der Betrieb wirtschaftlicher und umweltfreundlicher als mit Diesellokomotiven wäre, erklärte Koschenz. Es könnten dann zum Beispiel Eurocity-Züge von Warszawa (Warschau)–Poznán (Posen) über Guben und Cottbus nach Leipzig- und von dort beispielsweise nach Frankfurt am Main fahren. Das wäre rund 60 Kilometer kürzer als die Fahrt über Berlin, rechnete er vor. Cottbus würde wieder Drehkreuz des internationalen Verkehrs werden, diese Funktion hatte die Stadt früher einmal.
Problematisch sei allerdings, dass es unterschiedliche Stromsysteme in Deutschland gebe. Im Fernverkehr müssten nach der Elektrifizierung Mehrsystemlokomotiven eingesetzt werden, die die Sicherheitssysteme beider Länder erfüllten, erklärte der Experte. Die polnische Staatsbahn verfüge über solche Fahrzeuge und werde weitere in den nächsten Jahren beschaffen. Der DB-Fernverkehr habe derzeit keine für Polen tauglichen Elektrolokomotiven im Bestand, so Koschenz. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Zahl der Fernzugreisenden zu verdoppeln.