FÜRTH | Michael Schuhmacher gerät ins Schwärmen, wenn er von seinen Modellen erzählt. Seine Miniaturlandschaften leiden allerdings noch unter den Folgen der Pandemie – ohne Laufkundschaft auf dem Land.
In der hessischen Provinz hinter einer äußerlich eher unscheinbaren Fassade liegen kleine Welten. Zwischen Bergen und Tälern, Burgen und Häfen ist jede Menge Bewegung – alles im Maßstab 1:87. Dutzende Züge und Hunderte Waggons rattern über die Gleise, durch Tunnel in Landschaften aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, durch die Rocky Mountains oder vorbei an Hüttenwerken und Zechen. Wenn sie im südhessischen Fürth im Odenwald ihren Bahnhof erreichen, haben sie ihren Fahrplan eingehalten und gestreikt wird auch nicht. Sie steuern auf mehr als 12.000 Metern Gleisen digital durch ein halbes Dutzend Themenwelten auf ihr Ziel zu.
Die Fürther Miniaturwelten mit mehr als 1100 Quadratmetern Fläche sind nach Angaben von Geschäftsführer Michael Schuhmacher die größte Schauanlage Mittel- und Süddeutschlands. Größer ist seinen Angaben zufolge nur das international bekannte Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt. Anders als die Kollegen der gigantischen Anlage an der Elbe hat Schuhmacher ein Problem. “Wir haben keine Laufkundschaft wie in Hamburg.” In unmittelbarer Nähe zum Rhein-Main und Rhein-Neckar-Gebiet liegt die Halle im ländlichen Gebiet ab vom Schuss. “Viele sagen: So etwas haben wir hier gar nicht erwartet.”
Die Corona-Pandemie hat dem 55-Jährigen zusätzlich zu schaffen gemacht. Nach den Lockdowns seien die Besucherzahlen auch nach dem Ende der Pandemie nicht wieder auf das Vor-Corona-Niveau gestiegen. An einem Wochenende kommen demnach im Schnitt 600 bis 700 Menschen – aber unter der Woche mit Schulklassen oder Gruppen aus Seniorenheimen sei man längst nicht auf dem Niveau von vor der Pandemie. “Die Leute müssen 80 Kilometer oder mehr fahren, das ist schon schwierig.”
Nach Angaben der landesweit zuständigen Hessen Tourismus gibt es keine Statistiken zu den Auswirkungen auf Freizeitangebote im ländlichen Raum durch die Pandemie. Auch dem Wirtschaftsministerium sind keine vergleichbaren Unternehmen bekannt. Andere Veranstalter hätten bereits wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.
Nach Angaben der GrimmHeimat NordHessen geht aus Gesprächen mit Freizeitanbietern eher hervor, dass 2023 ein starkes Jahr war. “Die Unternehmenslust gerade im Bereich des Tagestourismus scheint nach der Pandemie noch immer groß zu sein”, heißt es dort. Regionalmanager Kai Georg Bachmann sagt: “Der Fachkräftemangel stellt nach Corona das dominierende Problem dar, ansonsten sind die Angebote in der Breite wieder stark gefragt.”
“Das ist eine Standortfrage”, ist sich Schuhmacher zur Halle mit den Anlagen in Fürth sicher. Er habe schon früher Modellbahnanlagen gehabt. Als er sich entschloss eine größere Modellbahnwelt zu schaffen, habe ihm der Bürgermeister das Gelände verkauft und dort sei dann die neue Halle gebaut worden. 2013 eröffnet, fahren Schuhmacher zufolge dort heute 400 Züge. Alleine für die Ruhrgebietslandschaft aus den 1960er Jahren hätten vier Leute recherchiert, wie das damals aussah. Derzeit entsteht eine neue Welt.
Tropfsteinhöhle, Schrebergärten mit Sonnenblumen, Burgen: Eine Besucherin habe ihm erzählt, dass sie in dem auf der Anlage nachempfundenen Autokino ihre erste Liebe gefunden hat, erzählt Schuhmacher. “Manchmal habe ich aber das Gefühl, es verkommt ein wenig zu einem Abenteuerspielplatz.” Ein Kind wollte nach seinen Erzählungen einem sich drehenden Riesenrad auf einem Rummelplatz mal richtig Schwung geben und hat es kaputt gemacht. Die Faszination liegt für den 55-Jährigen woanders: “Man kann sich die Welt so bauen, wie man will.”
dpa / EVN