Industrie dringt auf raschen Kapazitäts­ausbau im Schienennetz


BERLIN | Die deutsche Industrie macht Druck auf Politik und Bahn für einen zügigen Ausbau der Schiene.

“Immer mehr Unternehmen setzen auf eine immer nachhaltigere Logistik”, sagte der Vize-Haupt­geschäfts­führer des Bundes­verbands der Deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch, der Deutschen Presse-Agentur. “Angesichts der aktuell stark steigenden Energie­preise und des langfristig wachsenden Verkehrs­aufkommens ist der Aufbau von zusätzlichen Kapazitäten im Schienen­netz von immenser Bedeutung für die Industrie.”

Wie schnell mehr Menschen und Güter auf der Schiene befördert werden können, darüber diskutieren Branchen­vertreter und Politiker an diesem Donnerstag bei einer Tagung in Berlin. Eingeladen zum Schienen­gipfel hat Bundes­verkehrs­minister Volker Wissing (FDP). “Zuverlässig­keit und Pünktlich­keit sind Grund­voraussetzung für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene”, hob der BDI hervor.

Aus der Wirtschaft hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Kritik geben. Denn die vielen Baustellen im stellenweise überlasteten Schienen­netz sorgen nicht nur dafür, dass sich so viele Personen­züge verspäten wie seit Jahren nicht. Zeitweise standen auch mehrere Hundert Güterzüge still.

“Der Schienen­verkehr spielt für die deutsche Industrie für die Wettbewerbs­fähigkeit und das Erreichen der Klima­schutz­ziele eine tragende Rolle”, betonte Lösch. Die Schiene stehe vor gewaltigen Heraus­forderungen. “Der Güterverkehr wächst in erster Linie auf schon hochgradig ausgelasteten Strecken.”

Allein durch klassischen Infra­struktur­ausbau ließen sich die Kapazitäts­engpässe auf absehbare Zeit nicht lösen. Notwendig seien digitale Lösungen. “Der BDI setzt sich dafür ein, die schlummernden Potenziale digitaler Kapazitäts­steigerungen so rasch wie möglich auszuschöpfen.” Die Verpflichtungs­ermächtigungen von einer Milliarde Euro aus dem dritten Entlastungs­paket der Bundes­regierung sollten nach dem Willen der Industrie vor allem für die IT-Infrastruktur auf der Schiene eingesetzt werden.

Die Bahn hatte angekündigt, von 2024 an die Haupt­korridore einer General­sanierung zu unterziehen und zum Hochleistungs­netz auszubauen. “Das Hauptziel ist es, die Verkehre zu entmischen”, sagte Bahn-Fernverkehrs­vorstand Michael Peterson kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. “Wir haben heute vor allem Strecken, auf denen Regionalzüge, Güterzüge und Fernzüge gleichzeitig fahren.”

Besonders in hochbelasteten Korridoren und Knoten­punkten müsse stärker getrennt werden – mit Überhol­gleisen und Ausweich­strecken. “Es gilt nach wie vor: Mit der digitalen Schiene wollen wir die Kapazität um bis zu 35 Prozent erhöhen. Das brauchen wir auch. Aber wir sind eben auch auf zusätzliche Schienen­infrastruktur für die Entmischung der Verkehre angewiesen.” Beginnen soll die General­sanierung auf der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt (Main) und Mannheim, wie Peterson am Mittwoch angekündigt hatte.

Tim-Oliver Müller, Haupt­geschäfts­führer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, warnte in der Augsburger Allgemeinen: “Fatal wäre, sich ausschließlich auf einen Teil des Netzes zu konzentrieren, den Rest aber weiter verfallen zu lassen.” Die geplante Generalsanierung sei die richtige Strategie. Im Handelsblatt forderte er zur Sicherstellung der Finanzierung einen “Schienenfonds” des Bundes. Außerdem solle die “Bahn gemeinsam mit dem Bund prüfen, welchen Beitrag die vielen Hundert Auslands­beteiligungen zu der künftigen Gemein­wohl­orientierung beitragen und sich gegebenenfalls von ihnen trennen.”


EVN | Foto: Pixabay

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