9-Euro-Ticket fordert Verkehrsgesellschaften auf dem Land


MAGDEBURG / SALZWEDEL | Das 9-Euro-Ticket erfreut sich in Sachsen-Anhalt großer Beliebtheit. Für die Verkehrsbetriebe ist die Umsetzung aber eine Herausforderung. Das gilt besonders für ländliche Regionen, wo das ÖPNV-Netz nicht so dicht gestrickt ist.

Sachsen-Anhalts Nahverkehrsgesellschaft (Nasa) verzeichnet seit Einführung des 9-Euro-Tickets am 1. Juni sowohl bei S-Bahnen, Regionalbahnen als auch bei Regionalexpress-Linien einen deutlichen Nachfragesprung. Zum Teil sei eine Verdopplung der Nutzungszahlen zu verzeichnen. “Prozentual profitieren die Regionalexpress- und Regionalbahn-Linien stärker als die S-Bahnen, was als Indikator gesehen werden kann, dass auch außerhalb der Ballungszentren das 9-Euro-Ticket genutzt wird”, erklärte Nasa-Sprecherin Jasmin Dudda.

Für die meisten Menschen im Altmarkkreis Salzwedel ist mehr Zugfahren allerdings keine Option. Die kleinen Städte und Dörfer in dieser ländlichen Region sind weit gestreut und meist ohne Bahnanbindung. Was bringt den Leuten dort das 9-Euro-Ticket, wenn allenfalls zweimal täglich ein Linienbus im Dorf hält? Immerhin rund 2.000 der Spartickets hat die Personenverkehrsgesellschaft Altmarkkreis Salzwedel (PVGS), die für den Busverkehr in der westlichen Altmark zuständig ist, bisher verkauft.

Die Linien seien deutlich mehr frequentiert, sagt PVGS-Geschäftsführer Ronald Lehnecke – auch von Fahrgästen von außerhalb, die offenbar das günstige bundesweite Angebot nutzen, um neue Gegenden zu erkunden. Vor allem Pendler würden profitieren, da sie im Vergleich zu normalen Monatskarten deutlich sparen. Die Fahrgastzahlen auf den Strecken nach Wolfsburg, Magdeburg und Arendsee seien deutlich gestiegen. Bei den Rufbussen sei die Nachfrage sogar um bis zu 50 Prozent in die Höhe geschnellt.

Grundsätzlich freut sich Lehnecke, dass viele Leute vom Dorf das Auto nun auch mal stehen lassen und das Angebot des ÖPNV testen. Andererseits führe der Andrang zu Kapazitätsproblemen. Einige besonders pfiffige Jugendliche seien zum Beispiel auf die Idee gekommen, statt mit dem Schulbus zu fahren, lieber den Rufbus zu bestellen. Das wurde aber ausgeschlossen. Einen großen Ansturm erwartet Lehnecke mit der Ferienzeit. “Wir hoffen, nicht überrannt zu werden”, so der Geschäftsführer.

Eine kurzfristige Ausweitung des Busangebotes sei nicht möglich. Dazu fehlten einerseits die Fahrzeuge, andererseits das Personal. Gerade jetzt in der Sommerzeit hätten viele Fahrer langfristig ihren Jahresurlaub geplant. Für den Geschäftsführer ist das 9-Euro-Ticket daher grundsätzlich eine gute Sache. “Ich kann jedem nur empfehlen, es auszuprobieren”, sagt er. Allerdings hätte er sich deutlich mehr Vorbereitungszeit gewünscht. Viele Fragen seien anfangs nicht klar gewesen oder noch immer nicht geklärt.

Für die Verkehrsgesellschaften sei das Projekt zudem eine große finanzielle Belastung, weil sie erhebliche Einnahmeverluste zu verkraften haben. Diese sollen zwar mit Mitteln des Bundes ausgeglichen werden. Das genaue Prozedere, wie das Geld bei den Firmen ankommt, sei aber noch nicht abschließend geklärt. Der Geschäftsführer hofft, dass die Erfahrungen dieses befristeten Angebots gründlich ausgewertet werden und daraus ein langfristiges Konzept für den öffentlichen Nahverkehr entwickelt wird.

Das sehen auch Verbraucherschützer so. Für sie ist das 9-Euro-Ticket ein Erfolgsmodell. Bis auf vereinzelten Ärger in der Anlaufphase habe es bisher keine nennenswerten Beschwerden gegeben, sagt Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. “Einmal nach Sylt düsen reicht aber nicht aus”, sagt sie. Von einer Verstetigung des Angebots würden nicht zuletzt die Menschen im ländlichen Raum profitieren. In den größeren Städten sei es ohnehin einfacher, den ÖPNV zu nutzen.

Die Verbraucherzentrale fordert ein neues Entlastungspaket, das auch das erfolgreiche 9-Euro-Ticket für den ÖPNV aufgreifen und weiter entwickeln müsse. “Ein leicht buchbares Ticket für alle Busse und Bahnen im Nahverkehr sollte für einen monatlichen Preis von 29 Euro, also rund einen Euro pro Tag, angeboten werden. Das würde in der Preiskrise alle entlasten, insbesondere aber Haushalte mit wenig Geld, und zudem der nötigen Verkehrswende mehr Schub geben”, sagt die Verbraucherschützerin.


dpa | Foto: DB AG / Kai Michael Neuhold