Verkehrsexperte sieht 9-Euro-Ticket als “kleines Strohfeuerchen”


BERLIN | Verkehrsexperte Andreas Knie, Professor an der TU Berlin, erwartet nur einen sehr kleinen Effekt vom geplanten 9-Euro-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel.

Bus und Bahn kurzfristig billiger zu machen, sei allenfalls “ein kleines Strohfeuerchen”, sagte Knie dem RBB. Zwar sei das Signal, den ÖPNV attraktiver zu machen, positiv, eine dauerhafte Lösung, um aus der Abhängigkeit vom Auto herauszukommen, sei das Ticket jedoch nicht. “Wenn die Preise dauerhaft sehr viel niedriger werden, gehen wir davon aus, dass zehn bis 20 Prozent der jetzigen Autofahrenden umsteigen würden. Das sind diejenigen, die die Wahl haben. Die überwiegende Mehrzahl, also 80 Prozent, sind in ihren Strukturen so festgelegt, dass auch ein drastisch reduzierter Preis des ÖPNV hier keine Lösung bietet.” Ein typisches Problem im Speckgürtel großer Städte sei die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, so der Soziologe und Leiter der Forschungsgruppe “Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung” an der TU Berlin.

“Das ist die berühmte letzte Meile, die fehlt: Also der Weg zur U-Bahn oder häufiger noch zur S-Bahn ist zu weit. Deshalb plädieren wir schon seit Längerem dafür, dass man die letzte Meile ganz einfach macht.” Eine Lösung seien Taxis zum ÖPNV-Preis, oder auch Anrufsammeltaxen, so Knie.

Klassische Linienbusse hält der Verkehrsexperte hingegen für ungeeignet. “Busse und Bahnen sind dann sinnvoll, wenn sie viele Menschen von A nach B transportieren können, also in Ballungsräumen. An den Rändern müssen individuelle on-demand-Verkehre her, die flexibel nur dann stattfinden, wenn Menschen sie auch benötigen.”

Als weitere Lösung sieht Knie mehr Homeoffice: “Eine Option ist aus meiner Sicht, nicht mehr jeden Tag zur Arbeit zu fahren. Das hat die Pandemie gezeigt: Menschen können sich verändern, Arbeitgeber können sich verändern – und man kann sagen, man fährt nicht mehr jeden Tag zu Arbeit, sondern vielleicht nur noch an drei Tagen.”


dts Nachrichtenagentur | Foto: Imago / Rüdiger Wölk