BERLIN | Ohne Lokführer gibt es keine Verkehrswende – doch ausgerechnet bei Verkehrsberufen wächst der Mangel derzeit besonders stark. Die Deutsche Bahn setzt auch auf Fachkräfte im Ausland.
Lokführer aus Tunesien und Ägypten, Elektroniker aus der Türkei – die Deutsche Bahn hat in den vergangenen drei Jahren über gezielte Rekrutierung im Ausland rund 700 Einstellungszusagen erteilt. “Allein 2023 sind mehr als 350 Personen mit Start 2024 rekrutiert worden”, teilte eine Bahnsprecherin auf Anfrage mit.” Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich dramatisch verändert. Deshalb betrachten wir Zuwanderung als einen Teil der Lösung”, sagte Kerstin Wagner, Leiterin Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn.
Große Fachkräftelücke in Verkehrsberufen
In Verkehrsberufen ist die Fachkräftelücke in Deutschland zuletzt verhältnismäßig am stärksten gewachsen, wie Ende März eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigte. Auch der Verband deutscher Verkehrsunternehmen weist immer wieder darauf hin, dass vielerorts dringend Bus- und Straßenbahnfahrern gesucht werden. Unter anderem in Berlin mussten Busfahrpläne bereits ausgedünnt werden, weil Fahrer fehlen. Die Deutsche Bahn will dieses Jahr rund 30.000 Menschen neu einstellen.
Allianz pro Schiene: Bis zu 10.000 neue Lokführer pro Jahr nötig
Der Interessenverband Allianz pro Schiene geht davon aus, dass in den nächsten Jahren allein 5000 bis 10.000 zusätzliche Lokführerinnen und Lokführer pro Jahr benötigt werden, um die geplante Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu stemmen. In den vergangenen Jahren bis einschließlich 2022 waren es pro Jahr lediglich 1000 bis 2000 neue Beschäftigte in diesem Bereich, wie die Allianz pro Schiene auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit ermittelte. Die Verkehrsverlagerung ist nicht zuletzt im Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung.
Auch Elektroniker, Gleisbauer und Lastwagenfahrer gesucht
Die Deutsche Bahn beschäftigte Ende vergangenen Jahres rund 19.400 Lokführer. Mehr als 2200 Lokführer – inklusive Auszubildende – wurden 2023 eingestellt. In der Branche gilt die Bahn nicht zuletzt wegen ihrer Größe als sicherer Arbeitgeber, andere Eisenbahnunternehmen dürften es bei der Rekrutierung weitaus schwerer haben als die DB.
Doch auch bei dem bundeseigenen Konzern ist der Fachkräftemangel immer wieder Thema. Ende 2019 hat die Bahn eine eigene Abteilung für die Rekrutierung von Arbeitskräften im Ausland gegründet. Gesucht werden Kandidatinnen und Kandidaten unter anderem für die Berufe Elektroniker, Gleisbauer, Bauingenieur, Lkw- und Busfahrer, Oberleitungsmonteur und Lokführer. Auch Auszubildende werden über die Abteilung international rekrutiert.
Ab Juni 13 neue Lokführer aus Ägypten bei DB in Bayern
Die Abteilung begleitet nach DB-Angaben unter anderem die Kandidatinnen und Kandidaten bei Visa- und Berufsanerkennungsprozessen sowie in der sprachlichen Ausbildung in den jeweiligen Heimatländern. Zurzeit besuchten beispielsweise 50 Elektroniker in der Türkei Sprachkurse, um später bei der Bahn anzufangen. Im Juni werden bei DB Regio Bayern 13 Lokführer aus Ägypten mit ihrer Qualifizierung für ihre Arbeit bei der Deutschen Bahn beginnen. Sprachkurse und fachliche Trainings wurden demnach schon in Kairo absolviert und dann in München fortgesetzt.
dpa / EVN